Merechter  Es war einmal ein armer Mann, dessen Frau niederkam und ihm einen Sohn schenkte.

Er wollte, daß sein Kind einen gerechten Mann als Paten bekäme, und so machte er sich auf den Weg, um ihn zu suchen. Als er so mit seinem Stock in der Hand dahinschritt, begegnete ihm zuerst ein Unbekannter, der hatte das Aussehen eines grundanständigen Menschen, und der fragte ihn: «Wohin geht Ihr denn so, braver Mann?»

«Einen Paten für meinen neugeborenen Sohn suchen.»

«Nun, wollt Ihr mich? Ich stehe Euch zur Verfügung, wenn es Euch gefällt.»

«Ja, aber... ich will einen gerechten Mann.»

«Nun!' Ihr könnt es nicht besser treffen: ich bin Euer Mann.»

«Wer seid Ihr denn?»

«Ich bin der liebe Gott

«Ihr und gerecht, Herr Gott!... Nein, nein! Überall höre ich, daß man sich auf Erden über Euch beklagt.»

«Warum denn, bitte?»

«Warum? Aber aus tausend und aber tausend verschiedenen Gründen. Die einen, weil Ihr sie in diese Welt schwach, verunstaltet oder kränklich geschickt habt, während andere stark und in voller Gesundheit sind, die es nicht mehr verdient haben als die ersten; andere, und zwar sehr anständige Leute, wie ich mehr als einen kenne, weil - obwohl sie fortgesetzt arbeiten und sich ganz erbärmlich anstrengen - Ihr sie immer in Armut und Elend laßt, wahrend ihre Nachbarn, Faulpelze, herzlose Menschen, Nichtsnutze... nein, seht Ihr, Ihr sollt nicht der Pate meines Sohnes sein. Lebt wohl!»  - (bret)

Gerechter (2)  Da begegnete ihm jemand, und dieser hatte kein gutes Aussehen, und er trug eine große Sense auf der Schulter wie ein Schnitter, der seiner Arbeit nachgeht.

«Wohin geht Ihr so, braver Mann», fragte ihn auch dieser.

«Einen Paten für meinen neugeborenen Sohn suchen.»

«Wollt Ihr mich zum Paten?»

«Ich muß Euch im voraus sagen, daß ich einen gerechten Mann haben will.»

«Einen gerechten! Nie werdet Ihr einen gerechteren finden als mich.»

«Das sagen sie alle, aber wer seid Ihr denn?»

«Ich bin der Tod

«Ach ja; dann seid Ihr wirklich gerecht. Ihr zieht niemanden vor, und Ihr verrichtet tapfer Eure Arbeit, bei reich und arm, bei adelig und bürgerlich, bei König und Untertan, bei jung und alt, schwach und stark, ohne Euch durch Tränen, Drohungen, Bitten oder Geld rühren oder erweichen zu lassen. Ja, Ihr seid wirklich der Gerechte, und Ihr sollt meines Sohnes Pate sein. Kommt mit mir.»

Und der Mann kehrte in seine Hütte zurück und führte den Paten, den er seinem Kinde geben wollte, mit sich.
Der Tod hielt das Kind über den Taufstein, und dann gab es in der Hütte des armen Mannes ein kleines Mahl, wo Apfelwein getrunken und ausnahmsweise Weißbrot gegessen wurde.

Bevor er autbrach, sagte der Pate zu seinem Gevatter: «Ihr seid sehr brave Leute, Eure Frau und Ihr; aber Ihr seid sehr arm. Da Ihr mich als Paten für Euren Sohn gewählt habt, will ich Euch meine Dankbarkeit beweisen, indem ich Euch ein Geheimnis enthülle, mit dem Ihr viel Geld verdienen könnt. Ihr sollt jetzt Arzt werden, Gevatter, und nun hört, wie Ihr Euch zu verhalten habt: Wenn Ihr zu einem Kranken gerufen werdet und Ihr seht mich am Kopfende des Bettes stehen, dann könnt Ihr mit Bestimmtheit sagen, daß Ihr den Kranken retten werdet, und als Arznei gebt Ihr ihm ganz gleich was, klares Wasser, wenn Ihr wollt; er wird auf jeden Fall wieder gesund. Wenn Ihr mich dagegen mit meiner Sense am Fußende des Bettes seht, dann ist nichts zu machen, und der Kranke muß bestimmt sterben, was Ihr auch tun mögct, um zu versuchen, ihn zu retten.»

Also ist unser Mann unversehens ein Arzt geworden, der das System seines Gevatters Tod praktisch anwendet und immer mit Sicherheit voraussagt, ob seine Kranken gesund werden oder sterben müssen. Da er sich nie irrte und da außerdem die Arzneien ihn nicht viel kosteten - denn er gab seinen Patienten nur klares Wasser, ganz gleich, welche Krankheit sie hatten -, so wurde er sehr gesucht und war in kurzer Zeit reich. - (bret)    

Gerechte


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