Gerechte   Man weiß von sechsundreißig Zadiks. Das sind keine Rebbes, sondern anonyme Gerechte im Volk. Sie dürfen sich nicht offenbaren, und niemand errät sie; sie können Schuster und Schneider sein. Auf diesen stillen verborgenen sechsunddreißig Gerechten ruht die Welt. Wären sie nicht da, ginge sie unter. Wenn einer von ihnen stirbt, wird ein anderer geboren. Einmal wollte die große polnische Königin Hadwiga die Juden vernichten. Die Juden waren ratlos. Dann fragte ihr größter Rebbe den Himmel, und darauf schickte er einen Zadik. Der wollte sich aber nicht dafür ausgeben. Schließlich, die Armen drängten ihn, klagten, und er gab nach. Er ging an den königlichen Hof und sagte: «Wer die Hand in seine Tasche steckt, nimmt heraus, was er wünscht.» Und das erfolgte. Hadwiga aber holte eine Schlange heraus, die wickelte sich um ihren Körper. Da flehte sie den Zadik an und fragte ihn. Er sagte: «Es geschah wegen deines Urteils.» Da nahm sie den Befehl zurück und die Schlange verschwand.    - Alfred Döblin, Reise in Polen. München 1987 (zuerst 1925)

Gerechte (2)  zádik (m.), zadikim (Pl.)

Aus dem hebräischen zadík »Gerechter«.

In Amerika: tsadek, tzaddik

1.          Ein frommer Mann, ein »Gerechter«. Eine wohltätige Frau wird als zadkóniß (aus dem hebräischen zadkanít) oder zadéjkeß (zadéjket) bezeichnet.

2.          Zaddik. Ein Heiliger (insbesondere ein chassidischer Rebbe); ein Mann von überragender Tugend und (möglicherweise) übernatürlichen Fähigkeiten.

3.          (Ironisch:) Ein unheiliger Mensch, ein Tunichtgut.

4.          Der jiddische Name für den 18. Buchstaben des hebräischen Alphabets, der eigentlich zádi heißt.

Ursprünglich waren zadikim einfach aufrechte, ehrbare Männer, die anderen als Vorbilder dienten. Die mittelalterlichen Kabbalisten und später die Chassidim unterstellten ihnen auch wundertätige Kräfte.

Die berühmte Legende von den 36 Heiligen (hebräisch: lamed-waw zadikim; jiddisch auch: laimed-wownikeß) besagt, dass es auf der Welt sechsunddreißig Gerechte gibt, um derentwillen Gott die Welt, trotz all ihrer Sündhaftigkeit, nicht untergehen lässt. Die Sechsunddreißig sind namenlos, niemand weiß, ob sie arm oder reich, Wasserträger, Hausmeister, Schuhmacher, Soldaten oder Kaufleute sind — aber ohne ihre selbstlosen Werke wäre die Welt längst zerstört.

Der Legende nach offenbaren die Sechsunddreißig ihre Identität nur sehr selten — besonders in Notlagen, wenn die Juden in Gefahr sind. Dann wird ein zadík Gottes Auftrag erfüllen, die Juden mit einer plötzlichen Wundertat retten — und anschließend gleich wieder verschwinden, denn seine Identität darf nie aufgedeckt werden. (Das würde ihm vermutlich seine wundertätige Kraft rauben.)

Die Vorstellung, dass Gutes im Geheimen, ohne Anerkennung, Dank oder Belohnung getan werden soll, hat die Männer des Talmud offenbar sehr fasziniert. Je weniger öffentlich etwas Gutes getan wird, je mehr das Gute selbst der Zweck einer Handlung ist, desto besser, desto mehr Bewunderung verdient sie. Gott weiß es ja und wird sich dessen erinnern ... - (ji)

 

Gerechtigkeit

 

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