Geräuschquelle  Tatsächlich war eure Haltung vorsichtig aber auch seltsam gerechtfertigt, und in Wahrheit könnte man sie nur erklären, indem man eine Überlegung heranzöge, die freilich gerade jene wäre, die anzustellen ihr euch weigert, nämlich daß es auch sein könnte, daß alle jene Geräuschquellen oder einige oder auch nur eine einzige, aber es wäre unmöglich festzustellen welche, in schwer definierbarer Weise mit einem Problem beschäftigt wären, das eurem eigenen nicht unähnlich ist, d. h. sich bemühten, einen Klang zu erzeugen, den jeder, auch einer wie ihr, als den Klang eines Dings interpretieren würde. War beispielsweise der Rhythmus der hin- und herschwingenden Tür, die ihre raschen und leichten Schläge abgab, so rhythmisch wie zu erwarten? Und war da nicht zwischen Standuhr und stürzendem Tropfen und Tropfen eine verdächtige Pause, beinah als hielte ein Jemand inne, um mit besonderer Formung des Ohrs weitere Klänge einzufangen? Natürlich gab es kein Mittel und wird es auch nie eines geben, um zu erfahren, ob solches der Fall war; aber wir wissen, daß es nicht ausgeschlossen ist anzunehmen, daß alle Geräuschquellen sich in der gleichen wechselseitigen Lage befinden; doch dann wäre es auch nicht ganz nutzlos sich zu fragen, warum diese Geräuschquellen sich dermaßen voreinander fürchten; aber wir brauchen hier keine Erläuterungen zu liefern, zumal die Furcht der Genannten sich nicht von der Furcht unterschiede, die ihr selbst empfunden habt, und die euch dazu geführt hat, eine so vorsichtige und zögernde, ja gänzlich feige Haltung einzunehmen.

Und in der Tat: die Geräuschquellen, die sich in diesem Dorf aufhielten oder es bewohnten - nichts wissend von der Natur und den Absichten der anderen Geräuschquellen und sogar einerseits nicht einmal sicher, ob jene Geräusche wirklich so sinnlos wären wie vermutet, andererseits vermutend, daß es in ihnen keinen Sinn zu suchen gebe außer dem Existenzbeweis für irgendetwas, dessen Natur im übrigen unbestimmt blieb - sie alle, die sich, wenn man so sagen darf, in diesem Dorf befanden oder dort verweilten, hatten eine Lage umsichtiger Abwehr gewählt, dazu bestimmt, mit dem Nichtsein zu kokettieren, ohne indes selbst hineinzustürzen. Doch das war mühsam, denn man konnte in keiner Weise sagen, ob es tatsächlich eine Geräuschquelle gab, die euch irgendwie entsprach, noch konnte man wissen, so man das auf gut Glück annahm, ob eine solche Vermutung nicht eine erhöhte Gefahr oder im Gegenteil ein möglicherweise zweideutiges Bündnis einschloß.  - Giorgio Manganelli, Geräusche oder Stimmen. Berlin 1989

Geräusch

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