eräusche, nächtliche In der Nacht spürte Giorgio, daß die Geräusche im Haus zugenommen hatten: im Wohnzimmer nebenan stieß der Vater, der sich mit einem Ruck im Bett aufrichtete und genauso plötzlich wieder hinlegte, mit dem Hinterkopf gegen die Tür. Der Notar Bartolo redete im Schlaf: »He, halt, he, nach rechts habe ich gesagt, nach rechts!« Emanuele war erkältet und schnarchte. Ein Betrunkener hatte sich unter dem Balkon aufgepflanzt und hielt eine beherzte Rede über das Schicksal Ungarns. Die Trikolore, die draußen geblieben war, knatterte im Wind und schlug hin und wieder gegen die Fensterläden.
»Morgen heirate ich«, dachte Giorgio. »Ich heirate das erste Mädchen, das
ein Haus mit zwei Zimmern in einer einsamen Straße besitzt!« - Vitaliano Brancati, Geräusche. Nach (
branc
)
Geräusche,
nächtliche (2) Ich habe mich mit weit offenen
Augen auf mein Bett gesetzt; ich fror, sehr, aber meine Kopfschmerzen waren
fast vergangen. Hier ist die Nacht ganz bunt. Ich habe keine Fensterläden, es
nutzt nichts, wenn ich eine dünne Cretonnegardine zuziehe, die Farben scheinen
hindurch und färben, sobald ich das Licht ausmache, die rückwärtige Wand genau
über meinem Kopf grün, rot, blau. Sie breiten sich aus, wandern, verschwinden,
und andere treten an ihre Stelle. Die Nacht ist auch nicht still. Alles, was
Menschen nachts tun, höre ich. Ich höre die Wasserspülung der Toiletten, ich
höre Sonnabendnacht die Liebesseufzer des unverheirateten Paares, das in Nr.
9 wohnt, ich höre die Züge pfeifen, die Musik aus den Cafés. Die ganze Straße
geht durch mein Zimmer und rollt über mich hinweg; wenn ich, in den Lärm, in
die Kälte getaucht, von den Lichtern geblendet, die durch meine Lider dringen,
die Augen schließe, stelle ich mir oft vor, daß ich auf einer Bank des Boulevard
Victor-Noir schlafe. - Jean-Paul Sartre,
Der Ekel. Reinbek bei Hamburg 2004 (zuerst 1938)
Geräusche,
nächtliche (3) Kam man nachts durch die
alte Gasse, so sah man hinter den Fensterläden Schatten auf- und abwogen und
mehrmals bemerkten die Beobachter, daß in dem Zimmer Personen sich bewegten,
die völlig nackt schienen. In anderen Nächten brannte ein gedämpftes Gaslicht.
Alles war dicht verhängt, und man hörte bis zum frühen Morgen dumpfes Hämmern,
Klopfen und Sägen, als wenn in dem Räume, in dem übrigens
auch ein sogen. „Fleischwolf" stand, Knochen
gehackt oder Fleisch bereitet würde. Da die dort einströmenden Jungen manchmal
Geflügel oder Kaninchen brachten, einige Male auch eingefangene Hunde in dem
Raume geschlachtet wurden (wobei Haarmann
sich benahm, als ob er das Schlachten nicht mitansehen könne), so hatte man
auch aus diesen Geräuschen lange keinen Arg. -
Theodor Lessing, Haarmann. Die Geschichte eines Werwolfs. Berlin 1925
Geräusche, nächtliche (4) Plötzlich erwachte er mit einem Ruck zu vollem Bewußtsein. Er hatte eine Stimme gehört - Oh, sie war unmißverständlich real! Sie war überhaupt nicht in seinem Traum! -, die neben der Feuerstelle »Nineue! Nineue!« rief. Er lauschte jetzt, völlig wach und mit einem Herzen, das zuverlässig wieder dort war, wo es hingehörte, da es wie ein Wecker mit defektem Uhrwerk pochte.
Wie der Wind heulte! Noch nie hatte er einen solchen Wind gehört! Es war die schiere, schlichte und kindliche Furcht, daß Mark Moor Court diese Nacht weggeblasen werden würde, die ihm solches Herzklopfen verursachte. Mr. Geard schärfte sich das wiederholte Male ein. »Es ist der Wind«, wiederholte er nachdrücklich fest. »Der Wind macht mir Herzklopfen!«
Er reckte den Kragen und starrte auf das Feuer, das nun sehr groß und sehr rot war. Die Stimme, die er gehört hatte, war die eines Mannes gewesen und war von irgendwo hinter dem Mauerwerk genau rechts vom lodernden Feuer hergekommen. Und dann, diesmal ohne Doppeldeutigkeit, hörte er ein unmißverständliches Geräusch klar und deutlich in einem Zimmer genau unter seinem Stockwerk. Er legte den Kopf wieder aufs Kissen. Das Geräusch verschwand sofort. Wiederum reckte er den Kopf wie ein Saurier über die Bettkantc. Das Geräusch wurde wieder vernehmlich. Es war ein unmißverständlicher Ton, doch alles andere als romantisch. Es war nämlich das Geräusch, eines Mannes, der Wasser ließ.
Mr. Geard konnte sich nicht täuschen. Der Mann schlug sein Wasser in einen
Metallnachttopf ab, und dabei ließ er mehrere
Male einen Wind fahren. Der Bürgermeister von Glastonbury reckte weiterhin den
Kragen über die Bcttkante. Er bemerkte jetzt genau an dieser Stelle einen Spalt
zwischen den blanken, dunklen Eichcnbohlcn des Fußbodens. Ein schwaches, sehr
schwaches Licht war durch diesen Schlitz im Boden sichtbar. Er horchte weiterhin
mit ganzer Seele. Noch nie in seinem Leben hatte er so innig auf einen Ton gelauscht.
Er hörte den Mann den Nachttopf wieder hinstellen - es mußte einer aus Blech
oder vielleicht Eisen gewesen sein -, und dann kamen Schritte, Keuchen, Knarren
und tiefes, knurrendes Ächzen. Bald hörte er ein weiteres Geräusch, das dem
ersten glich und doch nicht glich: ein zweites menschliches Wesen beim Wasserlassen.
Diesmal strömte es lauter, schneller und kürzer. »Eine Frau«, dachte Bloody
Johnny. - (cowp)
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