Gepard  Es gab keinen Rauchelle mehr, nur noch ein ganz naturhaftes Wesen, das gewöhnt war, seinen Willen aufzuzwingen. Gewöhnlich bin ich jedoch eher unschlüssig und schwanke immer zwischen Für und Wider. Ich ging gelassen hin und beugte mich über Nyété, die ihren Kopf leicht zurückwarf, bereit, mit ihrer Tatze loszuschlagen.

«Gehen Sie zur Seite», sagte ich zu Miriam.

«Sie werden gebissen werden», antwortete sie mit ängstlicher Stimme.

«Gehen Sie weg!»

Ich erfühlte nun den Geparden, als ob er aus meinem Leib hervorgegangen wäre. Wir ließen uns nicht mehr aus den Augen. Ich ahnte die Angst, die in schnellen Wellen seinen Körper überlief. Die Flanke ging auf und nieder. Die Pupillen spielten ins Grüne, dann ins Gelbe, kaum wahrnehmbare Schleier legten sich darüber, ein trübes Aufleuchten zeigte Wut, Angst, Zweifel, Überraschung und wieder Wut. Ich atmete den Geruch des Tieres und erkannte, daß es krank war, denn es roch nicht mehr nach Erde und warmem Heu, sondern nach verletztem Fleisch, nach Eingeweide. Meine Hand öffnete sich in der Luft, und der Gepard hörte auf zu leben. Aber seine Lippe zitterte und gab einen Zahn frei, spitz wie eine Kralle. Hinter mir glitten Füße über das Parkett... Die Negerin, die zusehen wollte... Ich spürte auch die Angst der beiden Frauen und sagte ihnen, daß sie zurücktreten sollten. Zwischen ihnen und dem Geparden bestand eine Art körperlicher Verbindung; ihr Schrecken teilte sich dem Tier mit und erhöhte seine Angst. Als er sie nicht mehr sah, riß die Verbindung ab. Er war jetzt nur noch auf mich eingestellt, und ich fühlte, wie er sich beruhigte.

«Nyété», sagte ich leise.

Das Tier zitterte. Diese männliche Stimme, die es noch nie gehört hatte, beunruhigte es, mißfiel ihm aber nicht.

«Nyété.. . kleines Mädchen. . .»

Die Muskeln gaben nach: der lange Schwanz klopfte auf die Decke, legte sich dann am Bauch entlang, die Spitze jedoch war noch aufgerichtet und zitterte. Ich bewegte die Finger und brummte Ieise> tief hinten in der Kehle. Nyete ließ sich jetzt auf die Seite fallen, und ein heiseres Knurren schien aus ihr hervorzudringen. Ich wartete noch ein bißchen, weil ich die blitzartigen Reflexe der Katzen kannte. Dann senkte ich ganz langsam meine Hand. Nyété spürte sie kommen und empfand ein starkes Wohlgefühl, so daß sie halb ihren Rachen Öffnete. Sie drehte sich ein bißchen, um ihre Flanke besser darzubieten, die schwarzgefleckt war wie eine Schlangenhaut.

«Kleines Mädchen...»

Meine Finger strichen über ihren Nacken, und Nyété streckte sich vor Wonne. Sie schloß die Augen, behielt die Zunge zwischen den Zähnen. Sie gehörte mir. Ich begann, sie nun ohne Umschweife abzutasten, zunächst die Lenden, dann den Rücken. Sie streckte alle viere steif von sich und ließ ein glückliches Stöhnen hören. Wenn ich zu ihr sprach, hoben sich schwer ihre Lider, die rot umrandet waren, ein Strich, wie mit einem Fettstift gezogen, der sich bis zu den Schläfen fortsetzte. Müdigkeit lastete auf ihnen, und wenn sie sich hoben, wurde ein Stück goldfarbener Iris am Rande sichtbar. Ich betastete unter dem schweren Schenkel das feuchte und fette Fleisch des Bauches, das sich fein um die kaum abgezeichneten Zitzen spannte. Dann gab ich ihr mit der Faust zwei oder drei kleine Schläge auf den Kopf und stand auf. Nyete öffnete enttäuscht die Augen, gähnte und leckte sich die Nase. Ich kraulte sie noch einmal hinter den Ohren.

«Ja also, ich bin im Bilde», sagte ich, «es ist nichts Schlimmes.»   - Boileau / Narcejac, Das Geheimnis des gelben Geparden. Reinbek bei Hamburg 1972

 

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