enügsamkeit Es war einfach nicht möglich, ihn zu erregen, außer indem man ihn anstarrte. Inzwischen war Marianne halb wahnsinnig vor Begierde. Die Zeichnungen waren so gut wie fertig. Sie kannte jeden Teil seines Körpers, war vertraut mit der Tönung seiner Haut, so golden und hell, wußte um die Form eines jeden Muskels und vor allem des stets erhobenen Gliedes: Glatt, glänzend, verführerisch.
Sie verfiel darauf, zu ihm zu gehen und ein weißes Stück Pappe neben ihm aufzustellen, um einen noch helleren Reflex oder noch tiefere Schatten auf seine Haut zu werfen. Dann verlor sie schließlich die Beherrschung und fiel vor dem stocksteifen Ständer auf die Knie. Sie berührte ihn nicht, sie verschlang ihn nur mit den Augen. Sie flüsterte: »Wie schön er ist!«
Er war sichtlich betroffen, und sein Glied wurde noch steifer. Sie kniete dicht daneben, sie hätte es fast mit dem Mund berühren können, aber sie wiederholte nur: »Wie schön er ist!«
Da er sich nicht bewegte, rutschte sie näher, die Lippen leicht geöffnet, und zart, ganz zart berührte sie die Spitze des glänzenden Schaftes mit der Zunge. Er rührte sich nicht. Statt dessen beobachtete er ihr Gesicht und die flinke Zunge, die immer wieder zärtlich die Spitze seines Schwanzes umspielte.
Sie leckte ihn sanft und mit der Behutsamkeit einer Katze. Dann nahm sie ein Stück in den Mund und umschloß es fest mit den Lippen. Es bebte.
Sie hielt sich zurück, sie wollte nicht weitergehen, denn sie hatte Angst,
er könnte sich wehren. Als sie innehielt, ermutigte er sie nicht, fortzufahren.
Es schien ihm zu genügen. - (
nin
)
Genügsamkeit (2) Als es Morgen ward,
nahm er das Netz und ging wieder zum See Karûn; dort blieb er stehen, und gerade
als er das Netz auswerfen wollte, erschien plötzlich ein zweiter Maure, reitend
auf einem Maultier, und noch prächtiger ausgestattet als jener, der ertrunken
war; auch er hatte Satteltaschen, und in jeder der beiden Taschen befand sich
ein Kästchen. Der rief: ,Friede sei mit dir, o Dschaudar!' ,Auch mit dir sei
Friede, Herr Pilgersmann', erwiderte Dschaudar; und der Maure fuhr fort: ,Ist
gestern zu dir ein Maure gekommen, der auf einem Maultier wie diesem hier ritt;'
Der Jüngling erschrak und leugnete, indem er sprach: ,Ich habe niemanden gesehen.'
Denn er fürchtete, der andere könnte ihn fragen, wohin der Mann gegangen sei,
und wenn er selber dann erwidere, jener sei im See ertrunken, so möchte er vielleicht
behaupten: ,Du hast ihn ertränkt!' So blieb ihm nichts anderes übrig, als zu
leugnen. Doch der Maure sagte:,Armer Kerl, er war mein Bruder, der vor mir herzog.'
Dennoch beharrte Dschaudar darauf: ,Ich weiß nichts von ihm.' Nun fragte der
Maure: .Hast du ihm nicht die Hände gefesselt und ihn in den See geworfen? Und
hat er nicht zu dir gesagt: ,Wenn ich meine Hände herausstrecke, so wirf das
Netz nach mir und zieh mich eilends heraus; wenn ich aber die Füße herausstrecke,
so bin ich tot, und dann nimm das Maultier und führe es zu dem Juden Schama'ja,
der wird dir hundert Dinare geben?' Sind dann nicht seine Füße herausgekommen,
und hast du nicht das Maultier zu dem Juden gebracht, und hat der dir nicht
hundert Dinare gegeben?' .Wenn du alles weißt,' sagte Dschaudar darauf, 'warum
fragst du mich dann noch?' Und der Maure fuhr fort: ,Ich möchte, daß du mit
mir tust, wie du mit meinem Bruder getan hast.' Dann gab er ihm eine seidene
Schnur und fügte hinzu: ,Binde mir die Hände auf dem Rücken; und wenn es mir
ergeht wie meinem Bruder, so nimm das Maultier, führe es zu dem Juden und nimm
von ihm hundert Dinare.' Nun sagte Dschaudar: .Tritt heran!' Und als der Maure
das getan hatte, band Dschaudar ihm die Hände fest und stieß ihn vorwärts, so
daß er in den See fiel und unterging; eine Weile wartete der Jüngling, und als
dann die Füße herauskamen, sprach er: ,Er ist tot und in der Hölle. So Gott
will, kommen die Mauren jeden Tag zu mir; dann will ich sie fesseln, und sie
mögen umkommen. Hundert Dinare für jeden Toten - das genügt mir!' - (
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Genügsamkeit (3)
Und was wünschte ich mehr — und was brauche ich denn |
- Walter Mehring, In Menschenhaut
Aus Menschenhaut Um Menschenhaut herum. Phantastika. Mit Zeichnungen von Rudolf
Schlichter. Potsdam 1924
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