emeinplatz

 

Parvus Monachus: Ein Barfüßer-Mönch.
Dominus mentitur: Der Herr irret sich.
Natura paucis contenta: Käs und Brot.
Malum per accidens: Eine Ohrfeige.
Homo multorum negotiorum: Ein Haushahn.
Verba neutra: Diejenigen Leute, quae servitium ad significans, welche gern einen Dienst hätten, dativum adsciscunt, müssen die Spendierhosen anlegen.
Inservio Musis: Ich bin ein Schwammendrücker.
Quo magis premitur, eo magis resurgit: Ein Furz in einem Wasserbade.
Vita implicita erroribus: Er wollte zur Frau und kam zu der Magd.
Solus & arti fices, qui facit, usus erit: Ein Pudelhund.
Augere aliquem honorem: Einen die Treppe hinunterstoßen.
Adoptare aliquem in filium: Mit einem auf die Bruderschaft saufen.
Exautorare aliquem: Einem die Hosen ausziehen.
Rei militaris peritum esse: Wacker fluchen und stehlen können.
Ipse sibi perniciei fuit: Er hat die Hosen verunreinigt.
Se in mare dejicere: Wenn einer in die Kotlachen fallet.
Natantem excipere: Eine Lüge von dem Hintern wegfangen.
Praestat honesta mors turpi vitae: Eine tote Laus.
Cives agro atque urbibus augere: Neue Steuren ausrufen.
Pecuniam numeratam ab aliquo accipere: Ein Stipendiat, der auf der Messe einen Wechsel empfangt.
Necessitas non habet legem: Ein Wechselbrief.
Cum primis aetatis suae comparatum: Unter dem Bettelvogt und Stadtknecht ist kein großer Unterscheid.
In bello versari: Flöhe töten
Copiae ordinatae consistunt: Die Bettelleute stehen bei dem Leichbegängnis an der Reihe hinweg.
Magna severitate exercitui praest: Ein Bettelrichter.
Omnia in meliorem partem: Eine geflickte Hosen.
Copias altcui fugare: Einem die Schweine aus dem Garten jagen.
Cavete vobis:  Ein Gassenarzt.
Accedere ad ignem: Ein angesteckte Schöpskeul.
Omnem pudorem exuit: Er hat das Hemd ausgezogen.
Turpe est doctori, cum culpa redarguit ipsum: Ein garstiger Spiegel.
Qui proficit in literis: Ein Ordinari-Bot.
Et de ficit in moribus: Ein Bauer.
Male me habeo: Ich habe kein Geld.
Aliquid ad rem conferre: Einen zum Hahnrei machen helfen.
In hac domo quotidie lites nascuntur: Ein Weiberspital.
Artes ad summa cacumina ascendere: Der Stadttürmer.
Homo perversae mentis: Eine umgewandte Hosen.
Juva me consilio, si potes: Sage mir, wo komme ich zum heimlichen Gemach?
Haec res est a tuo foro aliena: Du weißt einen Dreck von der Sach.
Nulla salus bello: Im Krieg gibts nichts zu saufen.
Cepi ursam & sex catulos eius: Ich habe die Wirtin zum ›Schwarzen Bär‹ mit sechs Kindern bekommen.
Redde quod debes: Der Weiber Hauptlatein.
Res mirabilis: Eine Bartbürste.
Res inaudita: Ein reicher Student.
Ne sutor ultra crepidam: Eine Grenzsäule.
Magnas turbas dare: Schröcklich viel Läuse haben.
Aliquem foras extrudere: Ein ungeladener Gast.
Oculos alicui effodere: Einem die Brillen zerbrechen.
Magnitudine rerum gestarum aliquem nobilitare Einem Hörner aufsetzen.
Praelii signum dare: Einem eine Ohrfeige geben.
De aliquo detrahere: Den Speck vom Kraut wegnehmen.
Addere equo calcaria: Zwölf Taler auf die Supplication legen.
Multa huius viri sunt: Dieser Mensch hat viel Schwager.
Exitu notabilis concludere vitam: Sein ganzes Leben mit Notenschreiben zubringen.
Rem bene scit expiscare: Er kann die Heringe schinden.
Omnes superare cursu  Ein Renntier.
Praeteribo hac vice: Ein unzeitiger Dieb, der vor den Galgen geht.
Nullam tibt fidem babeo: Ein Kettenhund.
Quaerere fugam: Seine Gesundheit in acht nehmen.
Admirari aliquem: Ein krummer Tanzmeister.
Magnum onus alicui imponere: Einem den Galgen an den Hals hangen. 
Ornare aliquem honore: Einem das Licht putzen heißen.
Merces venum exponere: Eine Hure.
Rem impatienter tulit: Er hat den Staupbesen bekommen.
In amplexum amicorum venire: Mitten unter die Esel geraten.
Vitam componere distractiorem: Zerrissene Hosen flicken.
Vanitatem meditari: Tobak trinken.
Posito, non tamen concesso: Einem einen Wächter vor die Tür setzen.
Artem ptctoriam exercere: Dreck an die Wand schmieren.
Nullae mihi sunt vires: Ich habe keinen Wechsel.
Commodum Reipublicae promovere: Würste hacken.
Posteriora levare: Wenn man einem Hund den Schwanz abhaut.
Ludere in fidibus: Tobak anfeuren.
Esse immobili animo: Auf der Schildwache stehen.
Spem metumque deposui: Eine geschundene Sau.
Mihi nulla dies sine linea: Ich begehe täglich ein neues Schelmenstück.
Vitam exultando consumere: Ein Spielmann.
Iam mesta quiesce querela: Ein Tanzboden.
Semper in armis: Ein Fliegenwedel.
Video omnium oculos in me esse conversos: Wenn einer im Narrenhausel stehet.
Trahit quamlibet sua voluptas: Hätte er nicht gejuchzet, hätt' man ihn nicht auf die Wache geführet.
Extra modum: Eine Strohfiedel.
Barbatos decet: Eine Filzlaus.
Caeteros omnes facilitate superare: Ein Schneidergesell. 

 - Johann Beer, Die teutschen Winter-Nächte & kurzweiligen Sommer-Täge. Frankfurt am Main 1985 (it 872, zuerst 1682)

Gemeinplatz (2)  Gott verlangt ja so wenig!  Nichts ist absolut  Das Bessere ist des Guten Feind Das Krankenhaus ist doch nicht für die Hunde da  Armut schändet nicht  Niemand ist vollkommen  Wer's Licht scheut, hat nichts Gutes im Sinn  Die Kinder reißen sich ja nicht darum, zur Welt zu kommen  Essen und Trinken muß sein, und wären alle Bäume Galgen  Ohne Geld lebt sich's schlecht  Das Geld arbeiten lassen  Geschäft ist Geschäft   Das Gesetz steht auf meiner Seite  Man kann nicht alles haben  Nicht jeder kann reich sein  Sterben muß man reich  Wenn man im Geschäftsleben steht  Man ändert sich eben nicht  Der Arztberuf ist ein heiliges Amt   Alle Meinungen sind gleich achtbar  Ich bin wie der heilige Thomas  Wie Pilatus wasche ich meine Hände in Unschuld  Wie Johannes der Täufer in der Wüste predigen In höheren Regionen schweben  Wie es sich gehört   Praktisch sein  Als Prinzipienreiter daherkommen  Gelegenheitsdichter sein  In anderen Umständen sein   Man muß zeitgemäß sein  Man soll nicht päpstlicher sein als der Papst. In der Natur gibt es alle Geschmäcker  Manche Wahrheiten bleiben besser unausgesprochen. Schwierigkeiten sehen, wo keine sind  Manche Grenzen dürfen nicht überschritten werden   Allzuviel ist ungesund  Man muß mit den Wölfen heulen  Nur die Wahrheit erregt Anstoß  Die großen Männer richtet der Ehrgeiz zugrunde  Man lebt doch nicht, um sich zu amüsieren  Ich bin doch kein Heiliger  Ich will mich nicht besser machen, als ich bin  Reden ist Silber, Schweigen ist Gold  Genug verdient haben, um sich zur Ruhe zu setzen  Geld macht nicht glücklich, aber  Wieder zu seinem Geld kommen. Leben und leben lassen  Alle Wege führen nach Rom  Paris ist nicht an einem Tage erbaut worden  Auf Regen folgt Sonnenschein  Die Achtbarsten der Achtbaren  Die Familienehre  Die Pflichten dieser Welt  Gewohnheit ist eine zweite Natur  Wo es gezwungen zugeht, ist kein Wohlfühlen  Ohne Schweiß kein Preis  Wo gehobelt wird, fallen Späne  Ich habe kein Kleingeld  Ich könnte Euer Vater sein  Man stirbt nur einmal  . Er ist glückselig, er leidet nicht mehr  Er hat den Tod nicht gespürt   Man möchte meinen, er schläft  Sie ist gestorben wie eine Heilige Den Toten schuldet man Achtung   Die Toten können sich nicht mehr wehren   Ich bin doch kein Dienstbote oder Wenn man stillt   Ich brauche niemanden  Die großen Schmerzen machen stumm  »Quo vadis?«   Auch das schönste Mädchen der Welt kann nicht mehr geben, als es hat  Unmögliches kann man von niemandem verlangen  Gebranntes Kind scheut das Feuer  Was wollen Sie! Mensch ist Mensch  Sich mit dem Himmel abfinden  Im Himmel erkennt man sich wieder  Priester sind Menschen wie andere auch. Jeder für sich und Gott für uns alle  Gemächlich seines Weges ziehen   Den Teufel taugen  Der Unzufriedene hat oft zuviel, aber nie genug  Die Zeit totschlagen  Immer zu Scherzen aufgelegt sein  Die Zukunft seiner Kinder sichern    Seinen Verpflichtungen nachkommen  Es zu etwas bringen, seinen Schnitt machen   Die Kerze an beiden Enden anzünden oder Sein Geld zum Fenster hinauswerfen  Das Fell des Bären verkaufen  Alle Illusionen verlieren   Das Martyrium erleiden  Sich im Kloster vergraben  In Kleinigkeiten kramen  Die Hand ausstrecken  Den Anstand wahren   Guten Glaubens sein  Nicht der Erstbeste sein  Sich die Hörner abstoßen oder Die Jugend muß sich austoben oder Man ist ja nicht aus Holz  Eine gute Partie machen  Ein Ende machen, in den Hafen der Ehe einlaufen  Sich schicken, vernünftig sein  Ein Geschäft einfädeln   Die schönen Künste fördern Erst das Gespräch bringt Klarheit    Eines Mannes Rede ist keines Mannes Rede  Die Sonne scheint auf Gerechte und Ungerechte  Alle Welt hat mehr Verstand als Voltaire  Wer zu viel beweisen will, beweist gar nichts  Es ist nie zu spät, Gutes zu tun  Nach und nach baut der Vogel sein Nest  Die kleinen Bächlcin laufen in die großen  Man kann nicht sein, ohne gewesen zu sein   Jugend weiß nicht, Alter kann nicht  Wenn man alles wüßte! .  Man kann nicht an alles denken  Man kann nicht zwei Dinge gleichzeitig tun   Alles zu seiner Zeit   Zeit ist Geld   Geld stinkt nicht    Je toller, je besser   Es ist nicht alles Gold, was glänzt  Mit dem Feuer spielt man nicht   Der liebe Gott  Die Natur   Die Wissenschaft   Die Vernunft  Der Zufall  Die Nacht des Mittelalters   Die Inquisition   Die Bartholomäusnacht   Alle Religionen haben ihr Gutes   Beschränkten Geistes sein, übertreiben   Man darf die Dinge nicht allzu schwarz sehen   Auch das Unglück hat sein Gutes  Wer warten kann, dem kommt alles zur rechten Zeit   Vor allem Gesundheit   Gott wirkt keine Wunder mehr   Ich bin auch nicht dümmer als andere   Der Zweck heiligt die Mittel und Es gibt keine kleinen Ersparnisse Sich nicht unterkriegen lassen   Herz haben, ein gutes Herz haben   Selbstachtung haben   Eine leichte Hand haben, sich leicht tun  Glück haben  Brot auf dem Brett, etwas auf der hohen Kante haben   Tänzerinnen aushalten  Die Abwesenden haben immer unrecht   Das Geld versteckt sich   Ich möchte ruhig schlafen können Ich will nicht sterben wie ein Hund   Die Freunde unserer Freunde sind auch unsere Freunde   Ich spreche zu Ihnen als Freund  Ein Kopfkissenbuch Das Herz in der Hand und die Krokodilstränen   Sicli alles selbst verdanken   Cherchez la femme!  Die ehrbare Frau   Die Zivilcourage  Nicht alles im Leben ist rosig  Die schönen Jahre der Jugend  Die guten alten Zeiten  Gott schützt die Trunkenbolde  Der Appetit kommt beim Essen   Leihen tut man nur Reichen    Kein Handwerk ist schlecht, aber viele treiben's nicht recht   Die Nacht ist zum Schlafen da  Gelegenheit macht Diebe   Ohne Rauch kein Feuer   Von zwei Übeln das kleinere wählen   Man ist doch kein Louis d'Or oder Was jungen Mädchen frommt  Kritik ist leicht, schwer ist die Kunst   Ich bin Philosoph oder Das Jahr vierzig   Einmal ist keinmal    Das hat mir gerade noch gefehlt!   Die Kinder sind das, wozu man sie macht   Man muß sich einen Namen machen   Man tut, was man kann  Man ...     Alle Menschen sind Brüder   Alles oder nichts   Was die Frau will, das fürchtet Gott   Schulden zahlen macht Hauptgeld  Wenn der Teufel alt wird, will er Mönch  werden  Was haben Sie denn 1870 gemacht?  Man muß sich für jedermann verständlich ausdrücken    Essen, was die Kelle hergibt oder Was für zwei langt, langt auch für drei  Die Wahl einer Laufbahn   Ein hergelaufener Mensch   Ein gewichtiger Mensch  Mehr Butter als Brot versprechen oder Jemandem das Maul schmieren   Zuerst sein Weißbrot essen oder Das Gute vorweg genießen   In allen Ehren    Wer zahlt, gilt   Der erste Schritt zählt oder Aller Anfang ist schwer  Die Ochsen hinter dem Pflug anschirren oder Das Pferd am Schwanze aufzäumen  Richtige Rechnung macht gute Freunde  Glück bringen. Unglück bringen   Ein Loch zustopfen   Eine böse Affäre am Hals haben   Auf heißen Kohlen sitzen   Verantwortung tragen  Seinen Weg machen   Umstände machen  Sich nicht lumpen lassen  Jemandem herzliche Grüße ausrichten lassen  Rund um sich herum Gutes tun Sein Bestes tun   Ein liederliches Leben führen  Sein Glück machen  Regen und Schönwetter machen oder Herr im Haus sein   Barmherzigkeit üben   Liebe machen   Besser Neider als Mitleider   Etwas Toilette machen   Tun Sie, als wenn Sie zu Hause wären  Sich etwas zugute tun   Alle guten Dinge gibt's nur einmal   Ein Glücksfall kommt selten allein   Auch die beste Gesellschaft muß man verlassen   Ordnungsliebend sein   Haare auf den Zähnen haben  Sich bewährt haben   Mehrere Eisen im Feuer haben   Heu in den Stiefeln, Geld wie Heu haben  Ein Herz aus Gold haben  Sein Gewissen als Zeugen anrufen  Fürs Solide sein  Man muß sofort vor die rechte Schmiede gehen.  Die Religion ist ja so tröstlich   Die Hintergedanken  Zwischen den Zeilen lesen. In Ruhe lesen, mit zurückgelegtem Kopf   Gott und dem Teufel schulden   Wie man sich bettet, so hegt man   Wasser in seinen Wein gießen    Tue recht und scheue niemanden   Das Küchenlatein    Das Lateinische spottet allen Anstands   Das Lateinische ist eine tote Sprache  Mit seinem Latein am Ende sein   Die Ehe ist ein Lotteriespiel    Seinen Gatten betrügen   Nichts macht so schmutzig wie der Schmutz   Das Feuer reinigt alles  Dem Feuer überlassen, was nicht zu retten ist   Das heilige Feuer, das rauchende Feuer, das Strohfeuer   Öl ins Feuer gießen  Mit dem Feuer spielen  Zwischen zwei Feuern oder Stühlen sitzen   Für jemanden durchs Feuer gehen  Die Feuertaufe   Woher nehmen Sie nur die schönen Dinge, die Sie sagen?   Sie sind ein Original   Die Ehre  Die Ehrbarkeit   Tauben Ohren ist schlecht predigen   Wo nichts ist, hat der Kaiser sein Recht verloren   Viel Feind, viel Ehr   Begütert sein   Krieg ist Krieg  Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen   Nichts währt ewig   Guter Durchschnitt   Die Extreme berühren einander   Wohltäter sein oder Alles Zögern hilft nichts  Seine religiösen Pflichten erfüllen    Arbeiten heißt beten  Der Fanatismus   Das Wort Gottes   Ein erbauliches Leben   Nicht ein noch aus wissen  Der Mensch denkt, Gott lenkt   Erwartet wie der Messias   Wer den Armen leiht, leiht Gott Die besten Neuigkeiten sind gar keine Neuigkeiten  Die aufgeklärte Religion  Zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen  Anteil an jemandes Trauer nehmen   Ihnen von Herzen alles Gute!   Versprechen und Halten ist zweierlei   Sich Hoffnungen machen  Eines schönen Todes sterben   Sich in Vermutungen ergchen   Große Übel erfordern große Mittel   Die Wissenschaft hat ihr letztes Wort noch nicht gesprochen   Ich rede ja nicht aufs Geratewohl   Ich bin doch nicht von gestern   Verlorene Zeit kehrt nie zurück   Seit Anbeginn der Welt. Wohin gehen wir?   Geld haben  Ich kenne nur das Geld   Ich spucke nicht aufs Geld  Etwas Geld beiseite legen   Man nimmt ja doch nichts mit hinüber, wenn man stirbt  Der liebe Gott ist das Geld  Die Farbe seines Geldes ist nicht bekannt   Kredit geben, einen Kredit eröffnen  Bis über beide Ohren in Schulden stecken  Das Geld zum Fenster hinauswerfen  Sich kümmerlich durchschlagen   Ein Heidengeld kosten  Die Art des Gebens wiegt mehr als das, was man gibt  Guter Ruf geht über Reichtum   Ich habe noch nicht abgerechnet, Kassensturz gemacht   Irrtum vorbehalten  . Sich aus der Schlinge ziehen Sich aus dem Geschäftsleben zurückziehen  Kopfüber in den Graben. Nach uns die Sintflut   Der schönste Tag des Lebens   Sein eigenes Leben leben  Dem Tod ins Angesicht sehen - (bloy)

Gemeinplatz (3)  Die heutige Literatur, und insbesondere die heutige Lyrik, geht von einem wahren Horror vor dem Gemeinplatz aus und hat, was ihre äußeren Merkmale betrifft, im Grunde keine andere Rechtfertigung; aber es fiele vielleicht nicht schwer, einen analogen Ursprung für ihre inneren Merkmale oder einen Teil davon zu finden oder zu vermuten, mit anderen Worten, die Grundannahme partiell auf ihren innersten Kern zu übertragen. Und nun: Der Gemeinplatz kann mit Sicherheit - und es besteht kein Zweifel, daß es in der Mehrheit der Fälle so ist—, eine Trägheit des Geistes anzeigen, eine blödsinnige, bügerliche und sündhafte Fügsamkeit und konkret eine Nachlässigkeit und Schwäche; doch er ist das nicht zwangsläufig, wie die Tatsache beweist, daß alle großen Schriftsteller sich auch seiner bedient haben. Der Gemeinplatz ist schädlich in den Händen der Kleinen, nicht in denen der Großen: genauso wie ein Streichholz, das einer anzünden oder erloschen in der Hand halten kann (auch wenn dieses Beispiel hinkt). Und mit legitimer Übertragung auf andere Künste: Raffael hat ihn nicht gefürchtet. Und damit wir uns noch genauer verstehen: Gewisse Dinge oder vielleicht alle, die zu Gemeinplätzen geworden sind, können nicht besser gesagt werden, als sie in diesen gesagt sind, und zwar, scheint es fast, ein für allemal. «Übersät mit. . .»: Man muß sich eingestehen, daß man es nicht besser sagen kann als so, daß das ein Ausdruck ist, der unter den Streichungen ganz an der Spitze rangieren sollte (wie das «fuggitivi» von Leopardi), dort aber überhaupt nichts zu suchen hätte, denn es gibt keinen Dichterling, der fähig wäre, sich so etwas auszudenken. Und man kann den Ausdruck auch nicht ablehnen, ohne sich lächerlich zu machen, aus dem einfachen Grund, weil er in aller Munde ist. Vielmehr sollte man ihn also akzeptieren und . . . versuchen, ihn zu entzünden, anstatt ihn erloschen in der Hand zu halten: Und genau das, nämlich ihn zunächst zu akzeptieren, haben die großen Schriftsteller getan; diesen oder einen anderen, denn es gibt nicht nur ein Beispiel. Oder nehmen wir «tramonto» obwohl man eher «tramonzio»* erwarten würde (was im übrigen scheußlich wäre: Man beachte das Geheimnisvolle, d.h. die Garantie für die Originalität der natürlichen oder gewöhnlichen Vorgänge). Das heißt wiederum nicht, daß die besondere Sensibilität einen Dichter dazu führen könnte, sich einen Himmelskörper nicht als etwas auszudenken, das die Berge überschreitet: Offensichtlich besitzen die Gemeinplätze ihre entsprechende Zuständigkeit und ihren untilgbaren Glanz. Oder aber man muß sich jedesmal einen solchen Himmelskörper als etwas ausdenken, das dahinzieht etc., man wird nicht umhin können . . . etc. Der Einwände gegen diesen kleinen Diskurs gibt es viele und offenkundige: daß es als erstes darum gehe, den Gemeinplatz überhaupt zu definieren, dessen Begriff hier in die Länge gezogen oder verstümmelt wird, wie die unglücklichen Opfer des Prokru-stes («tramonto» z.B. ist ein allgemein gebrauchtes Wort und kein Gemeinplatz, bzw. hier wäre eine besondere Argumentation vonnöten); daß der Gemeinplatz in jedem Fall und vor allem einer allgemeinen Haltung des Dichters oder wessen auch immer entspricht und man ihn daher nicht ungeniert isolieren kann; und so weiter in dieser Art... Ja, könnte man nicht nachdenken, ehe man schreibt? Aber dann wäre es ganz aus.

Mein Kult der Gemeinplätze: Das ist meine Art, menschlich zu sein, Mensch zu sein. - Doch darin scheint eine Huldigung an das, was die anderen gemacht haben, inbegriffen: In Wirklichkeit würde man die Gemeinplätze nicht oder nicht immer als Produkte anderer ansehen. Von wem oder was stammen sie also? Man denkt fast an einen göttlichen Ursprung, an die Ideen z.B. eines De Maistre über die Sprache und an einen mystischen Rang.   - (land3)

* Archaisches Wort für tramonto  -  Untergang eines Gestirns, meist Sonnenuntergang

  Niedertracht Phrase Sottisier

 

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