Gemeinde, tanzende   Mein einsilbiger Nachbar auf dem Rücksitze der Kutsche berichtete mir, daß er diesmal bloß des Tanzes wegen nach Walis, das er sonst schon kenne, zu reisen beschlossen habe, um sich nämlich selbst von einer verderblichen Religionssekte zu unterrichten, die sich dort in den Bergen immer weiter verbreite und durch Tanz ihre Begeisterung in der Kirche ausdrücke. Von diesem Springen hießen sie bei den Leuten die Jumpers* und er wolle das Parlament angehen, sie allesamt hängen zu lassen, daß der Wind ihnen den rechten Unterricht im Tanze gäbe. Die Sache war mir neu, ich konnte die Leute noch nicht mit Grunde verteidigen; ich fragte ihn bloß, ob nicht auch die Musik zu aller sündlichen Lust gebraucht werde, und doch, in der Orgel verherrlicht, die Andacht auf würdige Art umgebe und ausdrücke. »Da sind wir nimmermehr einerlei Meinung«, sprach er; »wir Presbyterianer halten die Orgel für des Teufels Dudelsack, womit er den Ernst der Betrachtung in Schlummer wiegt, so wie der Tanz die guten Vorsätze betäubt.« -

* Im allgemeinen kann man sagen, daß die Welt so wenig einen netten Religionskultus ertragen, als die Reinheit eines ältern Kultus lange erhalten kann. Es scheint, daß in Caernarvon täie Leute längere Zeit von keiner Rcligionsübung sonderlich ergriffen waren; die höhere Klasse sah nach der Flasche, die niedere nach dem Zapfloch. Ich sah ein paar Mal nur sechzehn Personen in der eigentlichen Kirche, während der Versammlungssaal der Dissenters und Methodisten gestopft voll war. Ich hatte viel Lächerliches von der Art der Methodisten gehört, die Jumpers genannt werden. Einer glaubte, sie wären toll; der andre nannte sie Verräter, die Paines Schriften läsen, Absichten gegen die Regierung hegten und daher unterdrückt werden sollten. - Den 8. September 1799 ging ich zu ihrer Kapelle und fand alle Türen außerhalb mit Menschen besetzt. Nachdem ich durch diese hindurch gedrungen, befand ich mich in einem weiten Saale mit zwei Galerieen, worin ungefähr fünfhundert Menschen versammelt waren. Der Prediger hatte ausgezeichnete Lungen, die Leute hörten mit Aufmerksamkeit. Nach einiger Zeit drückte er sich in kurzen Sprüchen der Schrift aus, meist aus den Psalmen. Nach dem Hersagen des einen erfolgte ein leises Hum! durch die Versammlung. Eine zweite Schriftstelle vermehrte dies; eine dritte noch mehr, kurz in Zeit von einer Minute brach des Haufens wilde Gewalt in Stimme und Bewegung aus. Jeder hatte sich eine Sentenz gewählt, die er in einer Art Melodie, so laut, wie möglich, aussprach. So viele verschiedene Melodien brachten eine Art Schauder hervor. Zugleich stellten sie sich einander gegenüber, und sprang der eine empor, so folgte der andre im Sprunge. Sie bildeten auf diese Art Ringe von zwei bis zu acht Personen ohne Rücksicht auf das Geschlecht. Jeder suchte so laut und so lange zu schreien, so hoch zu springen, als ihm irgend möglich. Wer vom Springen ermüdete, erhielt den Körper doch immerfort in Bewegung. Der Prediger verschwand, wenn er die Leute so weit in Enthusiasmus gebracht hatte. Die alten Leute machten nur elende Sprünge, aber sie sprangen doch. Wer die Veranlassung nicht wußte, hätte alles für ein trunkenes Wirtshaus gehalten, worin einige zanken, andre tanzen. So dauerte es eine Stunde. Einige schienen eine Feinheit darin zu setaen, daß sie sich ausruhten, und, wenn die ändern ermüdeten, mit neuem Eifer aufsprangen. Den Männern stand im ganzen dies Springen besser, als den Frauen; denn die letzteren verloren und verschoben ihre Kleidungsstücke,  und  waren nachher so erschöpft, daß sie sich von ihren Bekannten  mußten unterstützen lassen. Die Leute hatten den Ruf ordentlicher Sitten; ihre Kirchenordnung ist strenge und stimmt mit der der Quäker. Von Paines Schriften scheinen sie so wenig zu wissen, wie von der Algebra. (W. Hutton. Birmingham 1803)  

- Achim von Arnim, Owen Tudor

 

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