eisterbahn  Der Polsterer F. N. (letzten Frühling war er der 500 000ste Besucher der Geisterbahn) hatte ein schweres, wechselvolles Leben. Sein Vater wurde vor seinen Augen von einer Nazieinheit hingerichtet, er selbst wurde bei einem Flächenbombardement verwundet, und danach warf man ihn, vollkommen unschuldig, auch noch ins Gefängnis. (Er bezog eine Recamiere mit gestreiftem Leinen, und die Fahne der USA enthält bekanntlich auch Streifen. Unter der Folter gestand er, daß das kein Zufall sein konnte.) Er ertrug tapfer all seine Prüfungen.

Wenn die Geisterbahn also in den Tunnel fährt und die ausgestopften Eulen zu schreien beginnen und die Sargdeckel sich öffnen und schließen und die erhängten Wachspuppen hin- und herbaumeln, ist das für F. N., würde man annehmen, noch gar nichts. Darüber kann er nur lächeln. Aber nein! Und wenn nicht, dann liebt es der Polsterer F.N. wohl deswegen so sehr, mit der Geisterbahn zu fahren, damit er sich hier, wie die anderen, gruseln und endlich einmal so richtig loskreischen kann.

Nur, daß auch das nicht stimmt. Wenn wir ihn selber fragen, stellt sich heraus, daß er sich nicht gruselt und auch nicht lächelt. Er setzt sich ganz einfach deswegen immer wieder in die Geisterbahn, weil hier eine Reihe alter Geschichten aus seiner Erinnerung auftaucht, über die er nachdenkt. Es fallen ihm Wünsche und Hoffnungen ein, vergangene Lieben, die verflogene Jugend und warum er nur jenen gestreiften Überzug ausgesucht hat, wo doch der mit dem Blumenmuster genauso schön gewesen wäre.  - (min)

 

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