Die Geisterschrecken gehören zwar zur Gruppe der Geradflügler (Orthoptera)
wie die anderen Schreckenarten, sind aber keineswegs mit den Gespenstschrecken
(Phasmoidea) zu verwechseln, sondern bilden eine eigene Ordnung.
Unterscheiden sie sich doch in einem Punkt sehr wesentlich von jenen: Während
die Gespenstschrecken allesamt Pflanzenfresser sind, läßt sich gleiches
von den Geisterschrecken nicht behaupten. Die Daemonophobien sind
übrigens nie grau gefärbt, wie gelegentlich von ungeübten Beobachtern geschrieben
wurde, vielmehr zeigen sie eine stumpfe schwarzbraune oder auch nachtblaue
Farbe, was ihnen zur erfolgreichen Tarnung bestens dient. Da die Tiere
kaum je bei Tageslicht ausfliegen, hat man größte Schwierigkeiten, ihrer
ansichtig zu werden, erscheinen sie doch auf Grund ihrer Anpassung an die
Nachtdunkelheit nahezu unsichtbar. Freilich würde den Tierfreund ihr nicht
gerade befriedigendes Aussehen erschrecken. Die gleichwohl zart zu nennenden
Geisterschrecken weisen nämlich ungeheuer große Kauwerkzeuge auf. Mit diesem
ihnen von der Natur verliehenen Apparat obliegen sie des Nachts ihrer Nahrungsaufnahme,
die vornehmlich im Blutsaugen besteht. Dabei halten sie sich oft an größere
Säugetiere, ja auch an den Menschen, so wie sie überhaupt wenig Scheu kennen,
wenngleich sie freilich nicht als ungeschlacht oder unbeweglich gelten
dürfen. Vielmehr fliegen sie sehr behende bei der geringsten Bewegung ihres
Opfers auf, nur um sich alsbald wieder an einer anderen Stelle niederzulassen.
Die Art ihrer Nahrungsaufnahme hat öfters dazu geführt, die Geisterschrecken
zugleich mit den Vampiren zu nennen, eine ganz
und gar unwissenschaftliche Betrachtungsweise, da die Tiere nichts miteinander
gemein haben. Man findet die Geisterschrecken über die ganze Erde verbreitet,
ja sogar in ausgesprochen unwirtlichen Gegenden gehen die emsigen Tiere
ihrer merkwürdigen Lebensweise nach. Wer hätte nicht schon des Nachts,
friedlich im Bette liegend, plötzlich ein scharf raschelndes Geräusch im
dunklen Zimmer vernommen? Es sind die Geisterschrecken, die da auf Jagd
gehen und wahrscheinlich eben dabei waren, sich dem Schlafenden zu nähern.
Auch kennt wohl ein jeder das Geraschel neben dem Ohr, gerade wenn man
im Einschlafen ist. Hier sitzt die Schrecke schon ganz nahe, wohl angelockt
vom blutreichen Ohrläppchen des Ruhenden. Macht man aber Licht, so wird
man das Tier vergeblich suchen. Bei geringstem Lichtschein flieht die Geisterschrecke
in Sekundenschnelle unter einen deckenden Gegenstand. Das Auge der Tiere
ist so konstruiert, daß es das Licht gewissermaßen vorausahnt; äußerste
Empfindlichkeit dient hier der Natur als schützende Funktion. Da die Saugtätigkeit
der Geisterschrecken kaum Spuren hinterläßt (größere nächtlich zugezogene
Verwundungen des Menschen stammen also allemal von anderen Gelegenheiten)
und auch selbst nur gering zu spüren ist, wird man diesen Tieren gegenüber
den weitaus gewalttätiger vorgehenden Vampiren entschieden den Vorzug geben.
Überhaupt kann der einsichtige Tierfreund den heutzutage immer noch so
modischen Vampirrummel kaum verstehen; er hält sich lieber an die zartere
Geisterschrecke und wird nur bedauern, daß sie bisher in der Literatur
noch keine ihr entsprechende Würdigung gefunden hat.
Wahrscheinliches Aussehen einer Geisterschrecke (natürl.
Größe)
Vermutlicher Bau der Kauwerkzeuge (nach H. Krachmandel:
Zur Ästhetik der Geisterschrecke)