eiger  Obschon ich Dir in gegenwärtigem Tractätlein auf einer abenteuerlichen Geige eine wunderliche Sarabanda aufspiele, bin ich doch deswegen kein Ars-Geiger, welcher Dir etwa einen alten Tanz aufzufiedeln gesinnet ist, sondern mein Absehen ist dahin gerichtet, daß ich einen ungewichsten Fiedelbogen beschmieren und Dir im Werke weisen möchte, was es sei, im Kopf keinen Wirbel haben. Wer ein Büchsenmeister ist, braucht keine Auslegung meiner vorgesteckten Scheibe. Und obschon ich auf einer groben Wolfssaiten einen abenteuerlichen Tanz aufgeige, so geschieht es doch nur deswegen, weil ich mich dem Tänzer gleichstellen und nichts anders spielen will, als was dieser und jener zu tanzen gewöhnet, weil bekannt ist, daß man die Bären zu keinen Gavotten gewöhnen kann. Es ist zwar ein wunderlich Futteral, wenn man die Geige in einen Hopfensack verstecket, weil aber die heutigen Schulfüchse alles in.Sack zu stecken begehren, ist es kein Wunder, daß man sie auch hineinstecke. Daß ich dir ein Abenteuer verehre, geschieht darum, weil man mit uns sehr abenteuerlich verfahren hat; der Verständige braucht nicht viel Predigens, und wer Hosen trägt, der weiß, wo er sie zubinden solle. - Johann Beer, Vorwort zu: Der Ritter Hopfensack. In: J.B., Der politische Bratenwender. München 1984 (dtv klassik 2130, zuerst ca. 1680)

Geiger (2)  Er ist mager und groß, hat ein ausgelebtes, knochiges Gesicht, ist Engländer, hat die Universität besucht, erbte von seinem Vater 50 000 Pfund, verließ die Universität und wolte Geigenvirtuose werden. Er spielte so gut, daß ihn ein Okkultist auf die Idee brachte, mit Geigenspiel zu hypnotisieren. Er betrieb diese Tätigkeit zuerst sehr ernst, produzierte sich in okkultistischen spiritistischen Zirkeln, bis er einsah, daß er mit seinem Spiel eine ganz gute Nummer fürs Varieté abgeben könnte. Er bereiste verschiedene Länder und erkannte aus manchem Mißerfolg, daß seine Nummer unzulänglich war, worauf er nach Indien reiste und zehn Jahre verschollen war. Was er in Indien trieb, weiß niemand. Aber plötzlich tauchte er in London auf und nannte sich Saint Germain II. er arrangierte in dem größten Saal von London eine Séance, zu der er eine große Gesellschaft von Gelehrten einlud. Die Séance verlief folgendermaßen; Er starrte 15 Minuten lang die Anwesenden an, zwang das Publikum, auch ihn anzuschauen, dann lud er einige Gelehrte auf die Bühne und sagte: "Jetzt bin ich ein Henker". - Die Anwesenden erzitterten. - Saint Germain II. stand im roten Henkerkleid da. Er sagte: "Jetzt habe ich eine Hacke in der Hand und hacke die Köpfe derjenigen ab, die auf der Bühne stehen." - Alles brüllte auf, man sah die Köpfe rollen, man sah Blut, im Raum wurde es schwül, die Anwesenden zitterten. Da lachte der Gaukler, alles war verschwunden. Die Menschen standen mit ihren Köpfen da. Saint Germain II. hatte Massenhypnose getrieben. Man wollte ihn prügeln. Die Presse empörte sich gegen die Polizei, weil sie ein solch unmoralisches Spiel erlaube, und Saint Germain II. mußte aus London fliehen. Er nahm daraufhin wieder seinen bescheidenen Lorenzo=Namen an, weilte seitdem in Italien und spielt prinzipiell nur auf Vorstadtbühnen, weil man, wie er mir sagt, wertvolle Dinge nicht vor die Säue werden dürfe. - (szi)

Geiger (4)  

Geiger (5) »Immerhin«, bemerkte er, »gab es schon fettere Geiger als Sie einer sind. Da ist zum Beispiel der berühmte Williams, der bedeutendste Virtuose seiner Zeit. Vor seinen Konzerten wurde er in einem girlandengeschmückten Karren durch die Stadt gefahren, den ein paar Ochsen zogen.«

»Wer war Williams«, stöhnte ich, um nicht zu schweigen.

»Sie brauchen ihn nicht zu beneiden«, fuhr Dagoberto mit einem seiner gierig saugenden Blicke fort, »denn der Mann fand ein betrübliches Ende. Er wurde krank, und die Ärzte verordneten ihm eine umständliche Diät. Der Umfang seines Bauchs schrumpfte daraufhin so dramatisch, daß ihm die Haut nabelabwärts wie die Lederschürze eines Schusters herunterhing.«

»Donnerwetter«, rief ich, obwohl ich ihm nicht eine Silbe glaubte.

Dagoberte faltete die Hände und bog sie nach oben, daß sämtliche Finger krachten.

»Von da an war es aus mit Vater Williams«, fuhr er fort. »Er war sogar zu schwach, um die Geige zu halten.«  - Javier Tomeo, Unterhaltung in D-Dur. Berlin 1995 

Musiker Geige

 

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Teufelsgeiger

 

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