eheimnisträger  Die Pulverwerkstatt war geschützter als das Erste Gynäkeion, geheimer als das Militärgefängnis, unerreichbarer ah der Thronsaal. In ihr arbeiteten zwanzig Männer, fast alles ehemals zum Tode Verurteilte, denen man Gelegenheit gegeben hatte, ihre Strafe in eine lebenslängliche stumme und taube Haft zu verwandeln. Diese Männer hatten sich nicht nur bereit erklärt, das ganze Leben eingeschlossen in der Pulverwerkstatt zu verbringen, man hatte ihnen vor ihrem Eintritt auch die Zunge herausgeschnitten und beide Trommelfelle mit einem glühenden Eisen versengt, so daß sie nicht mehr hören und sprechen konnten. Dadurch sollte jede Kommunikation unterbunden werden, um eine Verbreitung des militärisehen Geheimnisses zu verhindern.  - Luigi Malerba, Das Griechische Feuer. Berlin 1991

Geheimnisträger (2)  Die Menschliche Komödie ist voll von Geheimnisträgern aller Formen und Wertstufen. Ein Geheimnis macht das Lebensinteresse von Adam Laginski aus: er liebt die Frau seines Busenfreundes. Damit sie seine Liebe nicht errate und etwa erwidere, nimmt er sich — nur zum Schein — eine Geliebte: La Fausse Maitresse. Ein Doppelleben führt auch Graf Granville, der Großwürdenträger der Restauration, der sich nach sieben Jahren unglücklicher Ehe eine zweite Familie gegründet hat. Geheimnis umgibt den großen Bildhauer Dorlange. Er kennt seine Abstammung nicht, sein Schicksal wird von unbekannter Hand gelenkt. Schließlich erkennt ihn der Marquis von Sallenauve als seinen Sohn an. Indes, das Verhalten des Vaters ist so seltsam, daß man wieder vor einem Rätsel steht - einem unlösbaren Rätsel, da Balzac den Deputé d'Arcis nicht beendet hat. Ein mysteriöses Geschöpf ist auch Felipe Henarez. Er zeigt dauernd die undurchdringliche Würde eines spanischen Granden. Aber hinter dieser eisernen Rüstung schlägt ein Herz voll leidenschaftlichster Liebesbegier. Keine Frau hat es erraten! Darum wirft Henarez seine ganzen Energien in die politische Aktion: là est le secret de mon ardente politique! Er hat noch andere Geheimnisse! Seinem Bruder schreibt er melodramatisch: tu dois être le seul être vivant qui sache les secrets du dernier Maure christianisé! Ein Geheimnisträger in vielfachem Sinn ist Raphael de Valentin. Als er das Spielhaus betritt, erkennen die Spieler auf dem Gesicht des Neulings sofort quelque horrible mystère ... quelque secret genie scintillait au fond de ces yeux. Albert Savarus - eine Gestalt, in der Balzac sich selbst bis in Einzelheiten porträtiert hat - ist schon an sich eine sehr bedeutende Erscheinung, aber «er machte auf Rosalie um so mehr Eindruck, als seine ganze Art, sein Gang, seine Haltung, alles, sogar seine Kleidung, jenes unbestimmte Etwas hatte, das sich nur durch das Wort Mysterium erklären läßt! ... Das junge Mädchen fühlte sich bezaubert durch diesen langsamen und fast feierlichen Gang der Menschen, die eine Welt auf ihren Schultern tragen und deren tiefer Blick, deren Gebärde einen zerstörenden oder einen herrscherlichen Gedanken ausdrücken». Seltsam steht es mit Meister Cornelius, dem Bankier Ludwigs XI. Fortgesetzt werden ihm auf unerklärliche Weise Geld und Juwelen gestohlen. Es stellt sich heraus, daß er als Schlafwandler sich selbst bestiehlt. Der König und sein Leibarzt kennen sein Geheimnis - das er selbst nicht kennt! Geheimnisse, die sich um Leben und Tod drehen, bilden den Schlüssel zu dem seltsamen Schicksal von Honorine de Bauvan. Ein dunkles Geheimnis bestimmt das ganze Leben Vautrins - eines der größten Balzacschen Heroen. Ein armer Arbeiter wie Tascheron erhebt sich zu tragischer Größe, weil er auch angesichts des Schafotts das Geheimnis nicht preisgibt, das ihn entlasten könnte. Geheimnis umgibt das Wesen aller Genialität. Der große Arzt Desplein nimmt sein Wissen und Können mit ins Grab. «Wie alle genialen Menschen hatte er keine Erben.» Sein Bestes kann der Genius keinem Schüler vermitteln. Ein genialer Geheimnisträger ist auch der alte Frenhofer. « Er ist der einzige Schüler, den Mabuse hat heranbilden wollen. Frenhofer wurde sein Freund, sein Retter, sein Vater. Er hat den größten Teil seiner Schätze geopfert, um die Leidenschaften des Mabuse zu befriedigen; als Entgelt vermachte Mabuse ihm das Geheimnis der Modellierung, die Macht, seinen Gestalten jenes außerordentliche Leben, jene natürliche Blüte zu geben, die uns ewig zur Verzweiflung treibt.» Und Frenhofer wahrt sein Meisterwerk - eine ideale Frauendarstellung - als teuerstes Geheimnis. «Wie, ich sollte mein Geschöpf, meine Gattin zeigen? den Schleier zerreißen, unter dem ich mein Glück keusch verhüllt habe ? Das wäre eine grauenvolle Prostitution. Ich lebe nun seit zehn Jahren mit dieser Frau, sie gehört mir, mir allein, sie liebt mich. Hat sie mir nicht zugelächelt bei jedem Pinselstrich, den ich ihr gab? Sie hat eine Seele, die Seele, mit der ich sie begabt habe. Sie würde erröten, wenn andre Augen als die meinen sich auf sie hefteten.»   - Ernst Robert Curtius, Balzac. Bern 1951

Geheimnisträger (3)  Mr. Radcliffe, Rechtsanwalt einer Londoner Kanzlei, flog über Indien dahin, landete in verschiedenen Städten, verweilte einige Tage in einem Gebirgsdorf, in dem britische Villen standen, die 1901 für Kolonial-Offiziere errichtet worden waren. Es war ein Dorf in frischer Bergluft. Dann wieder Start mit einer Sportmaschine, die ihn zur nächsten Verkehrsarterie brachte, einem Flughafen, auf dem Maschinen planmäßig starteten und landeten. So angeschlossen an die regierende Welt, flog er nach Bengalen und wieder über Indien. Er sah Vorstädte, durchfuhr in einem Auto mit verhängten Fenstern Metropolen. So nahe sah er Menschen, daß sie ihn hätten packen und erschlagen können. Dann wieder sah er die Millionenmasse nur im Geiste, während er, die Stratosphäre berührend, den Kontinent rundete. Seine Aufgabe war die staatliche Teilung des Landes im Zeitraum von 36 Tagen, seine Prägung aber hatte er aus alter Zeit. Ihm war von einer Stelle, über die auf keinen Fall gesprochen werden durfte (wenigstens nicht zu diesem Zeitpunkt), mitgeteilt worden, daß er zu den Initiierten gehöre, also WELTHELLSICHTIG sei. Deshalb war er dem Verein, der so viel von ihm hielt und dem die Tochter längst angehörte, beigetreten (soweit eine esoterische Bindung durch Beitritt stattfinden kann).

»Der arische Hindu gehört zu den Menschen, die eine Million Jahre alt sind.« Er selbst, der Beobachter, gehörte, so wie er durch das Bullauge des Flugzeugs auf die unten vermuteten Hindus hinunter sah, als Hebräer zu einer UnterRasse der fünften arisch-kaukasischen Rasse mit einem Alter von vielleicht 8 000 Jahren. Durch Harvard und Erleuchtung schien es aber, daß er »älter« sei als jene dort unten, denen der Vorsprung von einer Million Jahre im Straßenverkehr nicht anzumerken war.

Auch in Spuren, d.h. in 0,000113 Prozent einer einzelnen Eigenschaft eines Menschen, konnte die göttliche Herkunft enthalten sein. Radcliffe traute sich zu, so etwas zu erspähen, wenn auch nicht im Vorbeifahren. Es blieb so unwahrscheinlich, daß in dem Milliardengewimmel dort unten oder bei den hoffnungslos auf dem Land Verstreuten, die mit primitiven Mitteln die Erde oder Bekleidungsstoffe bearbeiteten, geheimnisvolle Erben der Atlantier-Rasse versteckt sein sollten. Dennoch: Die Überlieferung der heiligen Texte ließ keine andere Deutung zu, als daß auf diesem Subkontinent die Brunnen liegen mußten, die zur Götterwelt zurückführten.

Das Geheimnis lag darin, daß nichts von den vergangenen Reichen je verschwindet. Es zerstreut sich und überlebt in Augenblicken weit unter einer Sekunde, in Körperelementen verborgen, in der Sprache der Menschen vereinzelt, so daß nur der Initiierte etwas davon entdeckt. Radcliffe war ein »entfalteter und wieder eingewickelter Mensch«, wie sein Gefährte Frederik Sutherland es nannte, sofern er zu bestimmten Stunden im Kauderwelsch der Weltwirtschaftsdebatte oder der Entkolonialisierungsstrategie seinen Mann stand (sozusagen als Charaktermaske), als Rechtsanwalt, dann aber wieder als leidenschaftlicher Forscher, Geosoph, d.h. Entdecker, der sich in Gelän-den bewegte, über die einer niemals sprechen sollte. Radcliffe war Geheimnistrager.

Radcliffe notierte: Drache ist Zyklus. Es geht um die fünf verruchten Könige. Der dritte Teil des Himmels sind die göttlichen Monaden, die Sternengeister, welche »unsere Kugel umwandeln«, d.h., die Erde hat sie gerundet und jetzt haben die menschlichen EGOS Kugelform, insofern sie Inkarnation durchmachten.

Sind zur Zeit sämtliche Inder unterwegs auf Inkarnation? Und deshalb die Spuren der göttlichen Abkunft nirgends zu erkennen ? Was ist mit den benachbarten Pakistanern ? Gibt es Unterschiede zwischen Adel und Bauern ? In allen Kosmogonien kommt das Licht aus der Finsternis.

In mir der siebenköpfige Drache mit seinen zehn Hörnern und sieben Kronen, dessen Schwanz den dritten Teil der Sterne zog und auf die Erde warf. Und dessen Stätte, samt der seiner Engel, »nicht mehr gefunden ward im Himmel« - (klu)

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