Fegensatz, falscher  Der Schmerz ist etwas anderes, als die Lust, — ich will sagen, er ist nicht deren Gegenteil.

Wenn das Wesen der „Lust" zutreffend bezeichnet worden ist als ein Plus-Gefühl von Macht (somit als ein Differenz-Gefühl, das die Vergleichung voraussetzt,  so ist damit das Wesen der „Unlust" noch nicht definiert.

Die falschen Gegensätze, an die das Volk und folglich die Sprache glaubt, sind immer gefährliche Fußfesseln für den Gang der Wahrheit gewesen. Es gibt sogar Fälle, wo eine Art Lust bedingt ist durch eine gewisse rhythmische Abfolge kleiner Unlust-Reize: damit wird ein sehr schnelles Anwachsen des Machtgefühls, des Lustgefühls erreicht. Dies ist der Fall z. B. beim Kitzel, auch beim geschlechtlichen Kitzel im Akt des Koitus: wir sehen dergestalt die Unlust als Ingrediens der Lust tätig. Es scheint, eine kleine Hemmung, die überwunden wird und der sofort wieder eine kleine Hemmung folgt, die wieder überwunden wird — dieses Spiel von Widerstand und Sieg regt jenes Gesamtgefühl von überschüssiger, überflüssiger Macht am stärksten an, das das Wesen der Lust ausmacht.

Die Umkehrung, eine Vermehrung der Schmerzempfindung durch kleine eingeschobene Lustreize,fehlt; Lust und Schmerz sind eben nichts Umgekehrtes.

Der Schmerz ist ein intellektueller Vorgang, in dem entschieden ein Urteil laut wird, — das Urteil „schädlich", in dem sich lange Erfahrung aufsummiert hat. An sich gibt es keinen Schmerz. Es ist nicht die Verwundung, die weh tut; es ist die Erfahrung, von welchen schlimmen Folgen eine Verwundung für den Gesamt-Organismus sein kann, welche in Gestalt jener tiefen Erschütterung redet, die Unlust heißt (bei schädigenden Einflüssen, welche der älteren Menschheit unbekannt geblieben sind, z. B. von Seiten neu kombinierter giftiger Chemikalien, fehlt auch die Aussage des Schmerzes, — und wir sind verloren).   - Friedrich Nietzsche, Der Wille zur Macht

Gegensatz Falsch

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