edankenflucht
Ein Hauptsymptom meiner Kopfschwäche bestand darin, daß der Lauf meiner
Gedanken sich meinem Willen entzog. Es schied sich mein Inneres gewissermaßen
in zwei Teile, in mein Ich und in die Gedanken. Beide kämpften miteinander;
die Gedanken suchten mein Ich zu überwältigen und einen selbstmächtigen, dessen
Freiheit und Gesundheit zerstörenden Gang zu nehmen, und mein Ich strengte die
ganze Kraft seines Willens an, hinwiederum der Gedanken Herr zu werden, und,
sowie ein Gedanke sich festsetzen und fortspinnen wollte, ihn zu verbannen und
einen ändern entfernt liegenden dafür herbeizuziehen. Meine geistige Beschäftigung
bestand also, statt im Denken, in einem beständigen Bannen und Zügeln von Gedanken.
Ich kam mir dabei manchmal vor wie ein Reiter, der ein wildgewordnes Roß, das
mit ihm durchgegangen, wieder zu bändigen versucht, oder wie ein Prinz, gegen
den sich sein Volk empört, und der allmählich Kräfte und Leute zu sammeln sucht,
sein Reich wieder zu erobern. - Gustav Theodor Fechner, aus dem Nachwort
zu: G.T.F., Das unendliche Leben.
München 1984 (Matthes & Seitz debatte 2, zuerst 1848)
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