Gedächtnis, unerbittliches  Er war zu allgemeinen, platonischen Ideen so gut wie nicht imstande. Nicht nur machte es ihm Mühe zu verstehen, daß der Allgemeinbegriff Hund so viele Geschöpfe verschiedener Größe und verschiedener Gestalt umfassen soll; es störte ihn auch, daß der Hund von 3 Uhr 14 (im Profil gesehen) denselben Namen führen sollte wie der Hund von 3 Uhr 15 (gesehen von vorn). Sein eigenes Gesicht im Spiegel, seine eigenen Hände überraschten ihn immer wieder. Swift berichtet, daß der Kaiser von Liliput die Bewegung des Minutenzeigers wahrnahm; Funes unterschied ständig die ruhigen Fortschritte der Verwesung, der Karies, des Leidens. Er bemerkte das Fortschreiten des Todes, der Feuchtigkeit. Er war der einsame und geistesklare Beobachter einer vielgestaltigen, augenblicklichen und fast unerträglich deutlichen Welt. Babylon, London und New York haben mit ihrer wilden Pracht die Einbildungskraft der Menschen überladen; niemand in ihren übervölkerten Türmen oder im Getriebe ihrer Straßen hat die Hitze und den Druck einer derart nimmermüden Wirklichkeit gefühlt, wie sie Tag und Nacht auf dem unseligen Ireneo in seinem armen südamerikanischen Vorort lastete. Schlafen fiel ihm sehr schwer. Schlafen heißt, sich von der Welt ablenken; Funes, auf dem Rücken auf seinem Feldbett liegend, stellte sich im Dunkeln jeden Riß, jeden Sims der präzisen Häuser um ihn herum vor. (Ich wiederhole, daß die unbedeutendste seiner Erinnerungen genauer oder lebendiger war als unsere Wahrnehmung einer physischen Lust oder einer physischen Qual.)  - (bo3)
 
 

Gedächtnis

 

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