ebrüder Schwertfeger kam mit einem Mann zurück, der ein verzerrtes Maul hatte. Und seine Augen blickten so grauenhaft angstvoll, daß es Studer fröstelte.
»Guete Tag, Liebundgut«, sagte Laduner freundlich. »Wie gaht's Ihne?« Man sah, daß der Mann sich Mühe gab, zu antworten. Die Lider klappten, der Mund arbeitete, aber er brachte nur ein rauhes Stammeln hervor.
Er nahm Laduners Hand, ließ sie wieder los. Plötzlich bückte er sich, legte die Hände flach auf den Kies, und so, auf allen vieren, sprach er in den Boden hinein.
»Danke, Herr Doktor«, sagte er. Rauh war die Stimme, aber doch deutlich. »Es geit vill besser. Chan i bald wieder hei?« Er stieß sich mit den Händen ab, stand aufrecht und blickte erwartungsvoll in Laduners Gesicht.
— Ob er es denn hier nicht besser habe als daheim bei den Brüdern? fragte Laduner.
Der Mann besann sich, ließ sich wieder auf alle viere nieder, und in dieser Stellung sagte er, mit der gleichen rauhen Stimme, er wolle die Freiheit, denn er müsse doch im Stalle arbeiten.
»Noch ein wenig Geduld, Leibundgut; Ihr müßt zuerst ganz gesund werden und sprechen können wie andere Leute auch.«
Trauriges Kopfschütteln. Dann kam die Antwort, wieder gegen den Boden gesprochen, auf allen vieren: Das werde er nie mehr können.
»Geht an die Arbeit«, sagte Laduner freundlich. Und der Mann ging fort, mit gesenktem Kopf.
Laduners Gesicht war traurig. Er faßte Studer wieder am Arm und zog ihn zu einer Bank.
»Leibundgut Fritz, aus Gerzenstein, dreiundvierzig Jahre alt. Bewirtschaftet
zusammen mit drei Brüdern ein mittelgroßes Heimetli . .. Er ist der Schwächste,
nicht sehr gescheit. Aber gutmütig. Die Eltern sind gestorben. Die vier
Brüder sind Junggesellen geblieben ... Fritz muß schaffen, er ist
nicht faul, aber er ist so gutmütig, daß er nie Geld verlangt, nie ins Wirtshaus
geht, sondern immer daheim hockt. Sicher hat er nie eine Liebschaft gehabt.
Die Brüder sind Sonderlinge. Sie quälen ihn nicht gerade, aber sie tyrannisieren
ihn. Er läßt sich alles gefallen. In einer Winternacht vor sieben Monaten kommen
sie zu dritt angeheitert heim. Fritz hat den Stall nicht ganz sauber geputzt.
Sie holen ihn aus dem Bett, prügeln ihn, schmeißen ihn in den Brunnentrog, ziehen
ihn wieder heraus, schlagen ihn noch einmal, lassen ihn dann liegen. Als er
später ins Haus kriechen will, ist die Türe versperrt. Kr bleibt die ganze Nacht
draußen. Da er robust ist, wird er nicht krank. Aber von diesem Tage an kann
er zu niemandem mehr sprechen, wenn er auf zwei Beinen ›aufrecht‹ steht. Er
kann erst sprechen, wenn er sich gegen den Boden neigt und auf allen vieren
hockt. Er ist sonst nicht geisteskrank, nur eben, er kann nicht mehr sprechen,
wenn er aufrecht steht ... Es ist doch klar, was der Mann in einer simplen Bildersprache
ausdrücken will: Ihr habt mich wie einen Hund behandelt,
also bleibe ich ein Hund . . . Ich rede nur, wenn ich auf allen
vieren bin. — Klar! Nicht?« - Friedrich
Glauser, Matto regiert. In: F. G.: Kriminalromane. Berlin 1990 (zuerst
ca. 1936)
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