Gebiß, wanderndes  Seit zwei Jahren oder länger habe ich am Oberkiefer nur noch zwei Zähne - einen falschen, der kaum hält, und einen anderen, der wackelt. An diesem Kiefer habe ich ein Gebiß, das an den beiden Zähnen haftet; das Gebiß, das ich mir für den Unterkiefer hatte machen lassen, der überhaupt keinen Halt bot und mir überdies den Geschmack an allem verdarb, habe ich nicht ertragen können. Bisher war mein Gesicht dennoch ohne Entstellung geblieben. Alle zwei Monate bin ich bei meinem Zahnarzt, damit er nachsieht. Auch heute war ich bei ihm. Er hat mich darauf vorbereitet, daß der falsche Zahn früher oder später herausfallen wird. Und daß eines Tages der einzige echte Zahn, der mir geblieben ist, dran sein wird. Wie wird dann wohl das Gebiß halten? Es wird nicht halten. Es wird in meinem Munde herumwandern. Zum Essen werde ich es sogar herausnehmen müssen. Dann werde ich einen hübschen Anblick bieten. Das fehlt noch daran, daß ich wie Voltaire aussehe - wenn ich wirklich Ähnlichkeit mit ihm habe? - oder wie das so komisch vorweggenommene Porträt, das Rouveyre von mir gemacht hat: das Porträt mit dem Spazierstock aus dem Jahre 1923. An dem Tage werde ich mich wohl zu Hause einschließen; jedenfalls werde ich keine Einladung mehr zum Mittagessen oder wozu immer annehmen.  - (leau)
 
 

Gebiß Wanderung

 

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