Gazelle (2) In Juby folgte ich der
Mode und hatte eine Gazellenzucht. Wir hielten die Tiere in einem vergitterten
Stall in freier Luft, denn Gazellen brauchen ungehinderten Luftstrom. Sie sind
so wenig widerstandsfähig! Aber sie bleiben am Leben, wenn sie jung genug eingefangen
worden sind, und fressen einem aus der Hand, lassen sich streicheln und stecken
einem ihre feuchten Muffeln in die hohle Handfläche. Man könnte sie für völlig
gezähmt halten. Nichts mehr läßt das unerforschliche Freiheitssehnen ahnen,
das sonst die Gazellen lautlos verlöschen läßt und ihnen einen stillen Tod schenkt.
Aber es kommt ein Tag, da findet man seine Tiere an der Wüstenseite des Verschlages,
gegen den sie ihre kleinen Hörner stemmen, wie von Magneten angezogen. Sie wissen
nicht, daß sie den Menschen fliehen; freundlich trinken sie die Milch, die er
ihnen bringt, sie lassen sich streicheln und stecken noch zärtlicher ihre Muffeln
in seine Hand. Kaum aber läßt er sie allein, da gibt es im Verschlag so etwas
wie einen freudigen Galopp. Er führt aber nur zurück zum Gitter. Und wenn der
Mensch sich nicht um sie kümmert, bleiben sie dort bis zum Tode. Sie versuchen
nicht einmal, gegen die Schranken anzurennen. Sie lehnen nur die gesenkten Köpfe
dagegen. - Antoine de Saint-Exupéry, Wind, Sand und Sterne.
Düsseldorf 1976 (zuerst 1939)
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