auner   Unter Gauner versteht man den Dieb und Betrüger, der den Diebstahl und den Betrug gewerbsmäßig und nach bestimmten Kunstregeln betreibt. Das Wort Gauner, das der  Gaunersprache selbst durchaus fremd ist, wird verschieden abgeleitet.

Zunächst führt man die Schreibung Jauner und Gauner auf, und entscheidet sich für die eine oder die andere als die richtigere, ohne recht eigentlich weitere Gründe dafür anzugeben. Selbst Schöffer, der in seinem "Abriß des Jauner- und Bettelwesens" beständig die Schreibart Jauner für das richtigere, indem er es von dem niedersächsischen Beiworte gau ableitet. Beide Formen, Jauner und Gauner, haben jedoch ihre bestimmte und unterschiedliche Ableitung und Bedeutung.

Das Wort Jauner ist jüdisch-deutschen Ursprungs. Schon ein flüchtiger Blick auf die jüdisch-deutsche Sprache überzeugt von der vorwiegenden Neigung dieses Idioms, die ursprünglich einfachen Vokale gedehnt und diphthongiert auszusprechen, und von der Leichtigkeit, mit der dies bei der Eigentümlichkeit des jüdisch-deutschen Vokalismus möglich ist. So z. B. ist im Jüdisch-Deutschen haulechen (holchen, alchen), gehen, vom hebräischen halach, er ist gegangen; lau für lo nicht; pleite für pleto Bankrott, Flucht; chaule für chole  krank usw So ist denn entsprechend Jauner und Jaunen nichts anderes als das Juner und Junen, das sich schon in der ältesten deutschen Urkunde des Gaunerthums, in dem handschriftlichen Mandat des Rats zu Basel aus dem fünfzehnten Jahrhundert, und als Joner und Jonen in den Notabilien des Liber Vagatorum und im Vokabular der ältesten rotwelschen Grammatik findet, wo jedoch überall der Juner oder Joner unter dem beschränkten Begriff von Spieler aufgefaßt ist. Es ist eine nur durch die mittelalterliche und spätere heillos flache und schiefe Auffassung des deutschen Zauber- und Gaunerwesens einigermaßen erklärliche sprachgeschichtliche und polizeigeschichtliche Merkwürdigkeit, wie diese beschränkte Auffassung der ältesten deutschen Gaunerurkunde so permanent bleiben konnte, während doch das Jaunen eine so durchaus bestimmte, wenn auch weitgreifende Praxis hatte, und wie dann aber auch wieder die nach dem ungeheuern materiellen und sittlichen Ruin des Dreißigjährigen Kriegs mit Anfang des vorigen Jahrhunderts sich aufraffende Justiz plötzlich alle räuberische und gaunerische Tätigkeit, ohne alle Unterscheidung mit dem Ausdruck Jauner bezeichnete, und diesen Ausdruck vorzüglich mit Hilfe der zahlreichen geförderten Jaunerlisten zu stehenden technischen Terminus machte. Jetzt wurde nun aber damit zuviel bezeichnet, wie früher die ältesten Urkunden zu wenig damit angedeutet hatten. Junen oder Jonen, verwilderte verkürzte Form von Jedionen, vom hebräischen joda wissen, kennen, erkennen, welche Bezeichnung schon sehr früh aus der jüdischen Zaubermystik in die christliche überging, ist nämlich nur der Inbegriff der gesamten betrüglichen magischen und mantischen Wissenschaften und Künste, die von der Höhe geheimnisvoller inspirierter Gelehrsamkeit allmählich zu den trivialsten Kunststücken und Betrügereien abgeflacht sind. Sowohl die Etymologie wie die Praxis des Jedionens hat gleichmäßig eine in der Tat seltsame Geschichte, und nimmt daher in der Geschichte des Gaunertums wie der Hexenprozesse eine überaus wichtige Stelle ein, wovon im dritten Abschnitt noch ganz besonders abgehandelt werden wird.

Die Schreibung Gauner hat wiederum verschiedene Ableitungen. Einige leiten es von dem althochdeutschen gau, gou, gaw, göw (pagus, tractus seu districtus unius ditionis, regio, altsächsisch börde, geländ ab, wobei der Gauner, wie lucus a non lucendo, als Nicht-Gaugehöriger erscheint. Diese sinnlose Ableitung findet aber auch schon in der bestimmten Bezeichnung herkommender man, vremidi, gargangus, wargangus, die den in das Land kommenden, nicht zum Gau gehörigen Frem-den bedeutet, ihre Widerlegung. Weit mehr Sinn hat die von Schäffer, a.a.O., und von Adelung (Wörterbuch, II, 433) adoptierte Ableitung von dem altdeutschen, noch heutigen Tags in der niederdeutschen Mundart in vollem Gebrauche sich befindenden Beiwort gau, flink, geschwinde, hurtig. Als offenbare Zusammensetzung mit diesen "gau" findet sich, und zwar wohl zuerst in der sehr bemerkenswerten Vorrede zu dem "Schauplatz der Betrüger" (1687) der Ausdruck Gaudieb in der vollen Bedeutung des heutigen Gauner. Die späteren Anekdoten-sammlungen und Schelmenromane gebrauchen den Ausdruck Gaudieb fast durchgehends, bis er um die Mitte des vorigen Jahrhunderts außer Gebrauch zu kommen und dem viel geförderten Ausdruck Jauner zu weichen beginnt. Niemals ist jedoch das spezifisch niedersächsische adjektivische "gau" substantivisch zu Gauner verlängert und in die hochdeutsche Sprache aufgenommen worden. Im Niederdeutschen existiert auch jetzt immer nur noch gau als Adjektiv und Adverb. Die einzige niedersächsische Verlängerung ist Gauigkeit, Behendigkeit, Geschwindigkeit, und das einzige Kompositum bleibt Gaudeef, Gaudieb.

Die natürlichste Ableitung des Wortes Gauner scheint die von Zigeuner oder Zigauner zu sein. Für die Annahme dieser bloßen Wortverkürzung spricht die prägnant hervortretende Tatsache, daß in der Anschauung des Volkes die Zigeuner seit ihrem ersten Auftreten in Deutschland immer als Typus aller Gaunerkunst angesehen wurden. Auch heutigen Tags gilt in den Augen des Volks fast jede noch so kleine umherziehende Truppe von Seiltänzern, Musikanten, Händlern, Kesselflickern usw. für nichts Geringeres als für Zigeuner. Sogar auch die heutigen Behörden kargen noch immer nicht mit dieser Bezeichnung. Als die Justiz zu Anfang des vorigen Jahrhunderts die Jauner zu verfolgen anfing und zahlreiche Jaunerlisten verbreitete, waren die Verfolgten eben dieselben Verbrecher, die in den Augen des Volkes für Zigeuner galten, aber nicht die eigentlichen Jedioner (Juner, Joner, Jauner), deren Wissenschaft teilweise wie die Chiromantie, Metoposkopie, Oniromantie usw. noch immer in Ansehen und Achtung blieb und sogar noch bis gegen die Mitte des achtzehnten Jahrhunderts auf deutschen Universitäten gelehrt wurde. Bei jener Verwechselung ging auch die wesentliche Unterscheidung zwischen Jauner und Gauner verloren, und wo der Unterschied gefühlt wurde, da machte sich wieder die Verwechselung des G mit dem J in der provinziellen Aussprache geltend, und die Schreibung Jauner blieb die herrschende.

Erst seit Grellmann die Zigeuner als ethnographische Erscheinung auffaßte und als solche spezifisch aus dem Vagantenhaufen abschied und darstellte, findet man die Bezeichnung Gauner mit Bestimmtheit hervortreten, obschon Grellmann durchaus nichts zur etymologischen Aufklärung des Wortes Zigeuner getan hat. Indessen brachte er doch die vortreffliche Dissertation des Christian Thomasius (1622-1684) in Erinnerung, die in § 4 und 5 alle deutschen und lateinischen Benennungen der Zigeuner aufführt, nämlich: Zeugeuner, Ziegeiner, Ziegeuner, Ziegeyner, Zigauner, Zigeiner, Zigeuner, Zügeuner, Zygäner, Zygeinner, Zyginer, und Attingani, Ciani, Cigani, Cigari, Cingoli, Cingani, Cingari, Cygari, Sigari, Singani, Zingari, Zigareni, Zigeuni, Zigineri, Zingani, Zingari, Zygari, Zygaini und Zygeni.

Bei diesen schwankenden Bezeichnungen gewinnt die Darlegung des Thomasius an Wahrscheinlichkeit, daß das Wort Zigeuner, Ciani, Cigani, eine Korruption des lateinischen Aegitiani oder Aegyptiani ist. Thomasius weist dabei nach, daß die Zigeuner bei ihrem ersten Auftreten sich für Ägypter ausgegeben haben, und danach auch von den Niederländern, Franzosen, Spaniern und Griechen in einmütigem Sprachgebrauch als Ägypter bezeichnet sind. Thomasius weist ferner nach, wie leicht die spanische Verkürzung Gitanos und die lateinische Kürzung Ciani und Cigani aus dem Worte Aegitiani entstanden sein kann und folgert nun mit einer sarkastischen Bemerkung über die allerdings nicht abzuleugnende Meisterschaft der Deutschen in Zusammenziehung und Abkürzung der Eigennamen, daß auch das deutsche Wort Ziganer und Zigeuner usw. eine Verstümmelung des lateinischen Aegitiani ist, wobei er aber die seltsame Inkonsequenz begeht, daß er, mit Berufung auf Franz Ferd. de Cordova, "Didascalia multipl. ", cap. ult., p. 413, die Entstehung des lateinischen Wortes Ciani oder Cigani erst aus dem deutschen Zigeuner, anstatt direkt aus dem lateinischen Aegitiani ableitet.

Die oben angeführten zahlreichen deutschen Varianten des Wortes Zigeuner, die man bei allen Schriftstellern der vier letzten Jahrhunderte findet, sind nur ein Beweis von der Leichtigkeit und Willkürlichkeit, mit der man die Eigennamen häufig bis zur Unkenntlichkeit ihres wahren Ursprungs verwandelt hat. Schon der oben angeführte Schottelius gibt lib. V, in einem eigenen Traktat, eine ausführliche Erklärung der deutschen Eigennamen, die nicht minder überraschend als verdienstlich und wertvoll ist.

Außer den angeführten Bezeichnungen hat die deutsche Sprache keine andern, die vollständig dem Begriff des Gauners entsprechen, obschon es eine Menge Ausdrücke für herumstreichendes, bettlerisches und verbrecherisches Gesindel gibt, z.B. starke Bettler (validi mendicantes, über die schon der heilige Ambrosius "De off. minist.", lib. II, c. 16, bittere Klage führt und der wackere Felix Hemmerlin in seinem trefflichen Schreiben, 1438, an Bischof Heinrich von Konstanz eifert), Landtfahrer, Alchbrüder (vom hebräischen halach gehen, umhergehen), gardende Knechte, Gardenbrüder, Gardeschwestern, Gardegänger, (von Gvardie, Guardie, custodia), Landsknechte, Schnalzer, Störger, Partierer, Schnapphähne, Breger, Stabuler, Lossner, Klenckner, Dobisser, Kamesirer, Vagerer, Grantener, Dutzer, Schlepper, Zickissen, Schwanfelder, Vopper, Dallinger, Dutzbeterinnen, Sündfeger, Billträger, Jungfrawen, Mumsen, Sontzen, Kandirer, Veraner, Christianer, Seffer, Schweiger, Burckartbettler, Blattschirer usw., über die der Liber Vagatorum Auskunft gibt, und die alle in dieser oder jener Weise nach Luthers treffendem Ausdruck "falsche Bettelbüberey" treiben.

Der Gauner selbst legt sich jedoch, im Vollgefühl seiner sichern Menschenkenntnis, seiner bestehenden Kunstfertigkeit und seines verwegenen Mutes, den stolzen Namen des Chochem, Kochemer (vom hebräischen hacham oder vom griechischen kundig, geschickt, verständig, weise, listig, schlau, kenntnisvoll, tugendhaft) bei, und begnügt sich sogar auch im noch stolzern Bewußtsein seiner Kompetenz für diese übermütige Bezeichnung, mit der bloßen Andeutung des Anfangsbuchstabens von mit dem einfachen chet und nennt sich einen Chessen. Eine bloße deutsche Übersetzung von Chochem ist Kunde (kennen, kundig). Eine analoge Bezeichnung von Chochem ist das mehr adjektivisch gebrauchte Jenisch, von Jonen (Jedione) und Isch, Mann, also: Mann des Wissens, der Weisheit. Seinen ihm verbundenen Kameraden nennt der Kochemer seinen Chawer, Chäwer (femininum chawresse), im Deutschen: Gleicher, Genosse, nach neuerem Ausdruck Junge; die Gemeinsamkeit und Gesellschaft mit ihm Chawrusse. Die vertrauten Personen, bei denen er Zuflucht, Schutz und Anhalt hat, nennt er Platte, Leute, von polat, glatt, schlüpfrig sein, fliehen, entkommen, in Sicherheit bringen, wovon Pleto, Pleite, Flucht, plättern (blättern), fliehen usw.   - (ave)

Gauner (2) Zur Bezeichnung der gaunerischen Tätigkeit gibt es eine Menge Stammworte, die in der Zusammensetzung mit anderen Worten je nach Zeit, Tätigkeit und Ort eine bestimmte Gaunerindustrie bezeichnen. Dahin gehört: Gänger, Geier, oder jüdisch-deutsch: Halchener, Lekicher, Latchener, Springer, Hopser, z. B. Chassnegänger, der mit Gewalt einbrechende nächtliche Räuber; Lailegänger, Fichtegänger, der Dieb zu Nachtzeit; Tchillesgänger, Erefhaichener, der Dieb zur Morgenzeit; Schuckgänger, Marktdieb; Medinegeier, Landhausierer; Jomlekicher, Dieb bei Tage; Sussimlatchener, Pferdedieb; Scheinlatchener, Dieb zu Tageszeit; Scheinspringer, ebendasselbe; Golehopser, der Dieb, der die Koffer von den Wagen während des Fahrens schneidet. Ferner: Händler, Fetzer, Spieler, Macher, Makker, Melochner, Zieher, z. B. Schwärze- oder Fichtehändler, Nachtdieb; Jeridhändler, Marktdieb; Jaskehändler, Kirchendieb; Tchilleshändler, Dieb zur Abendzeit; Kracherfetzer, Kofferdieb; Reiwechfetzer Schwindler, Beutelschneider; Stoßenspieler, Schärfenspieler, Ankäufer gestohlener Sachen; Vertußmacher, der Gauner, der dem Genossen Gelegenheit zum Diebstahl macht; Fallmacher, der zum Spiel anlockt; Jommakker, Dieb zur Tageszeit; Kassiwe- oder Fleppemelochner, der Anfertiger falscher Pässe; Cheilezieher, Taschendieb. Ferner Schieber und Stappler (Stabuler des Liber Vagatorum, von Stab, Stecken), z. B. Kittenschieber, Hauseinschleicher; Hochstapler, Bettler von angeblichem Stande; Linkstapler, Bettler auf falsche Papiere. Endlich wird auch noch zur Bezeichnung der gesamten gaunerischen Tätigkeit zu einer besonderen Zeit oder an einem bestimmten Ort der Ausdruck Abhalten gebraucht, z. B. den Schuck, den Jerid abhalten, den Markt oder die Messe wahrnehmen, auf ihnen gegenwärtig sein, etwas machen. - (ave)

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