aumen Marlboroughs Schwester Anubeth hatte einen Wolfskopf. Ihr großer Körper war schön proportioniert und, vom Kopf abgesehen, vollkommen menschlich. Sie war in glänzende Stoffe gehüllt, und ihre schmalen Füße steckten in kleinen spitzen, gondelförmigen Schuhen. Knurrend und spitze weiße Zähne bleckend stand sie in der Tür der Arche. Marlborough knurrte zurück, was mich von der Unterhaltung ausschloß.
»Meine Schwester beherrscht zehn verschiedene Sprachen und Sanskrit sogar
schriftlich«, sagte Marlborough. »Aber eine gewisse Besonderheit ihres Gaumens
bereitet ihr Schwierigkeiten mit der Aussprache, und darum bellen
wir uns immer an. «
- (
hoer
)
Gaumen (2) In der letzten Stunde
des Kampfes traf ein Pfeil von unten einen Bruder, der
sich zu weit vorwagte, in den Mundboden und spießte seine Zunge an den Gaumen
an. Er sank vor Schmerz bewußtlos um. Zwei Ordensbrüder schleppten ihn beiseite
in eine Mulde. Von den Indianern ihrer Truppe stand einer oben, ein Medizinkundiger.
Während die beiden Brüder hilfslos das lange Pfeilende betrachteten, das dem
Verletzten aus dem Kinn hervorragte und schrecklich über der Brust schwang,
schlich der Farbige herunter, kniete über dem Verletzten, betrachtete ihn, faßte
nach seinem Kinn und riß den Pfeil herunter. Ein Blutstrom stürzte aus dem Mund,
der Verwundete schien zu ersticken. Da griff ihm der Farbige in den Mund, hakte
einen Finger ein und knackte die abgebrochene Pfeilspitze heraus. Dann machte
er den Brüdern Zeichen, die sie nicht verstanden. Darauf riß er selbst unten
das restliche Pfeilende heraus. Sie drehten den Verwundeten auf den Bauch, um
ihn vor dem Ersticken zu bewahren. Die Väter stopften mit Zeug, das sie sich
abrissen, die Wunde unter dem Kinn zu. -
Alfred Döblin, Amazonas-Trilogie. Bd.2, Der blaue Tiger. München 1991
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