aukler   Ein Karussell war aufgebaut worden, und auf einer kleinen Bühne gaben zwei indische Gaukler ihre Kunststücke zum besten. Mahmud fuhr langsamer, als wir vorbeikamen. Der eine Gaukler hielt einen Blechnachttopf, in den der andere Münzen zu defäkieren vorgab. Als die Münzen in den Topf klapperten, jubelte die Menge.  - Eric Ambler, Besuch bei Nacht. Zürich 1999 (zuerst 1956)

Gaukler (2)

- (insul)

Gaukler (3)

 - Achille Devéria 

Gaukler (4)  Die Geschichte kennt sie unter vielen Namen (speculares, abysmales, Kainiten); am geläufigsten ist jedoch histriones [»Gaukler«], ein Name, den Aurelian ihnen anhängte und den sie sich tollkühn zueigneten. In Phrygien hieß man simulacraTrugbild(n)er«], desgleichen in Dardanien. Johannes Damascenus bezeichnet sie als formae [»Formen«]; gerechterweise muß man anmerken, daß Erfjord die Stelle zurückgewiesen hat. Kein Häresiologe, der nicht mit Verblüffung von ihren ausschweifenden Gewohnheiten berichtete. Viele histriones bekannten sich zur Askese; manche verstümmelten sich, wie Origenes; andere hausten unter der Erde, in den Kloaken; andere rissen sich die Augen aus; andere (die Nebukadnezars von Nitrien), »grasten wie die Rinder, und ihre Haut bedeckte sich mit Adlerflaum«. Von Kasteiung und Strenge gingen sie häufig zum Verbrechen über; gewisse Gemeinden duldeten den Raub; andere den Mord; wieder andere Sodomie, Blutschande und Vertierung. Alle waren Lästerer; sie verfluchten nicht nur den christlichen Gott, sondern auch die geheimen Gottheiten ihres eigenen Pantheons. Sie verfertigten heilige Schriften, die zum Leidwesen der Gelehrten verlorengegangen sind. Sir Thomas Browne schrieb um 1658: »Die Zeit hat die vermessenen Histrionischen Evangelien getilgt, nicht aber die Beschimpfungen, mit denen man ihre Gottlosigkeit gegeißelt hat.« Erfjord hat die Vermutung geäußert, diese »Beschimpfungen« (die sich in einem griechischen Codex erhalten haben) seien die verlorenen Evangelien. Das ist unbegreiflich, solange wir nicht die Kosmologie der Histrionen kennen.

In den hermetischen Schriften steht geschrieben, daß das, was unten ist, dem gleicht, was oben ist, und daß das, was oben ist, dem gleicht, was unten ist; im Zohar, daß die untere Welt der Widerschein der oberen ist. Die Histrionen gründeten ihre Lehre auf eine Perversion dieser Idee. Sie beriefen sich auf Matthäus 6:12 (»Vergib uns unsere Schuld wie auch wir vergeben unseren Schuldigern«} und auf 11:12 (»Das Himmelreich leidet Gewalt«), um zu beweisen, daß die Erde auf den Himmel Einfluß hat; und auf i Korinther 13:12 (»Wir sehen heute durch einen Spiegel, in Dunkelheit«), um zu beweisen, daß alles, was wir sehen, falsch ist. Vielleicht hatten sie, angesteckt von den monotonoi, die Vorstellung, daß jeder Mensch aus zwei Menschen besteht und daß der eigentliche der andere ist, der im Himmel wohnt. Auch hatten sie die Vorstellung, daß unsere Handlungen einen Umkehrreflex aussenden, so daß, wenn wir schlafen, der andere wacht, wenn wir Unzucht treiben, der andere keusch, wenn wir rauben, der andere freigebig ist. Im Tode werden wir uns mit ihm ver­einigen und er sein. (Ein Widerhall dieser Lehren überdauerte bei Bloy.) Andere Histrionen vertraten die Anschauung, die Welt werde enden, wenn sich die Zahl ihrer Möglichkeiten erschöpft habe; da es Wiederholungen nicht geben kann, muß der Gerechte die schändlichsten Taten ausschalten (begehen), damit diese nicht die Zukunft beflecken, und um die Herankunft des Reiches Christi zu beschleunigen. Dieser Artikel wurde von anderen Sekten abgelehnt, die vertraten, daß sich die Weltgeschichte in jedem Menschen vollenden muß. Die meisten - wie Pythagoras - werden viele Leiber durchwandern müssen, bevor sie ihre Befreiung erlangen; manche, die Proteiker, sind »am Ende eines einzigen Erdenlebens Löwen, sind Drachen, sind Eber, sind Wasser und sind Baum«. Demosthenes berichtet von der Reinigung durch Schlamm, der im Verlauf der orphischen Mysterien die Initiierten unterworfen wurden; die Proteiker suchten auf analoge Art die Reinigung durch das Böse. Sie vertraten mit Karpokrates die Ansicht, daß niemand dem Gefängnis entrinnen wird, ehe er nicht den letzten Obolus entrichtet hat (Lukas 12:59), und pflegten dem Bußwilligen jenen anderen Vers entgegenzuhalten: »Ich bin gekommen, daß sie das Le­ben und volle Genüge haben« (Johannes 10:11). Auch sagten sie, kein Übeltäter zu sein zeuge von satanischem Hochmut... Zahlreiche und voneinander abweichende Mythologien setzten die Histrionen in Umlauf; die einen predigten die Askese, die anderen die Ausschweifung, alle die Verwirrung. Theopompos, Histrion von Berenike, leugnete die Fabeln insgesamt; er sagte, jeder Mensch sei ein Organ, das die Gottheit aussendet, um die Welt zu empfinden. - J. L. Borges, Die Theologen, nach (bo3)

 

Täuschung Jahrmarkt

 

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