Gattentreue    Wie im alten Indien der Brauch bestand, daß die Witwe lebend dem verstorbenen Gatten in die Flammen folgte, so galt es in Ägypten als ein Zeichen der allerhöchsten Treue, wenn eine Gattin dem verstorbenen Gatten in die Totengruft folgte und sich — lebend — einbalsamieren ließ. Nun bedenken Sie, bitte, daß nur die Leichen der Pharaonen und der Allervornehmsten einbalsamiert wurden, bedenken Sie ferner, daß diese unerhörte Probe der Gattentreue eine freiwillige war, daß sich also nur sehr wenige Frauen dazu entschlossen haben, so werden Sie ermessen, wie ungeheuer selten solche Tophars sind. Ich möchte behaupten, daß in der ganzen ägyptischen Geschichte kaum sechsmal die große Topharzeremonie gefeiert wurde! — Die Topharbraut, wie sie die ägyptischen Dichter nennen, begab sich mit großem Gefolge in die unterirdische Totenstadt, um ihren jungen Leib den schrecklichen Einbalsamierern anzuvertrauen. Diese machten mit ihr dieselben Manipulationen wie mit den Leichen, mit dem Unterschiede, daß sie sehr langsam dabei zu Werke gingen, um den Körper so lange wie möglich am Leben zu erhalten. Im einzelnen ist uns die Art und Weise der Einbalsamierung noch wenig bekannt, wir kennen sie nur aus einigen, höchst mangelhaften Notizen Herodots und Diodors. Soviel aber ist sicher, daß die Topharbraut unter unerhörten Qualen lebend zur Mumie verwandelt wurde. Freilich, einen schwachen Trost hatte sie dafür: ihre Mumie vertrocknete nicht, sie blieb frisch wie im Leben und verlor auch nicht die leiseste Farbe.  - Hanns Heinz Ewers, Die Topharbraut. In: H. H. E., Die Spinne. München und Berlin 1974
 
 

Treue Eheleben

 

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