unktionär  »Kamerad«, sagte der Funktionär, »stimmt es, was man sich von dir erzählt?«

»Was erzählt man sich denn?« murmelte Antonio errötend, während Lorenzo Calderara ihm ins Ohr flüsterte: »Wag es ja nicht, ihn bei der Antwort zu duzen. Rede ihn mit ›Ihr‹ an. Warum hast du das Parteiabzeichen nicht angesteckt?«

»Man erzählt sich, du hättest viel Glück bei den Frauen. Und ihr?« wandte er sich an die vier Mädchen, die um ihn herumstanden, wobei die größeren jeweils ihre Ellenbogen auf die Schultern der kleineren stützten und jede unter ihren Schleiern ihre Rundungen zeigte. »Laßt mal hören, was ihr meint! Gefällt euch ein Kerl wie er?«

Die vier Frauen ließen ihre Blicke für einen Augenblick auf Antonio ruhen, und obwohl sie diesen Augenblick nicht für geeignet hielten, um ihre wahren Gefühle zu zeigen, hatten zwei von ihnen, die hübscheste und die am wenigsten hübsche, doch Zeit genug, um etwas zu empfinden.

»Na, was sagt ihr? Gefällt euch ein Kerl wie der?« Und mit einer raschen und unverschämten Bewegung schob er Antonios Ärmel zurück und zeigte dessen zarte Handgelenke, »oder einer wie ich?« Und er entblößte seine Arme mit ihren dicken, behaarten Gelenken.

Um nicht lügen zu müssen, rissen die Mädchen die Augen über solche Handgelenke auf und schrien vor übertriebenem Staunen; und eine setzte sich auf den Schoß des Funktionärs und brachte es fertig, zwischen den Auszeichnungen, dem Hemd und der Unterjacke ein Büschel Haare hervorzuziehen, das sie mit einer Bewegung ihrer Finger zu einem Schwänzchen zusammendrehte. Alle Frauen wollten zärtlich an diesem Schwänzchen ziehen, und alle Männer außer Antonio wollten darüber ihre Scherze machen, in der schamlosen Absicht, unter dem dünnen Schleier des Scherzes ihre Schmeichelei zu verbergen.

»Euch kann man nicht mit einer Frau verwechseln«, sagte Lorenzo Calderara salbungsvoll.

Wenig später erschienen auf großen Tabletts Flaschen mit Kognak und mit Gin. Inmitten des Zigarettenrauchs begannen die Augen vor Trunkenheit zu leuchten. Der stellvertretende Sekretär stand zweimal auf, um mit dem gleichen Mädchen zu gehen, und einmal, um mit der Pensionsinhaberin zu gehen, die sich indessen mit freundlicher Bestimmtheit weigerte.

»Sollen wir dich rausbugsieren, Nedda?« sagte Lorenzo Calderara halb im Spaß, halb im Ernst, wobei er nicht zu erkennen gab, was von beiden galt.

»Bugsiert mich ruhig!«  antwortete die Pensionsmutter, als ob sie scherze.

Der stellvertretende Sekretär mußte sich, als er das drittemal den Salon verließ, mit einem der Mädchen begnügen, dessen niedliches Gesicht sich vor Verstimmung darüber, daß die reife Frau ihr vorgezogen worden war, rasch verdüstert hatte.

Als der stellvertretende Sekretär in den Salon zurückkehrte, mit offenem Hemd und einen Arm um die nackten Hüften des Mädchens geschlungen, wurde er mit Händeklatschen begrüßt.  - Vitaliano Brancati, Bell'Antonio. Frankfurt am Main 1961 (zuerst ca. 1950)

 

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