ürstin   Sie hatte mit 19 Jahren die Bekanntschaft eines Kunstmalers, Arthur Ungar (aus Miskolc), gemacht. Dieser junge Mensch hatte die Manie, unerfahrene junge Mädchen zu hypnotisieren; er wollte aus allen hypnotische Tänzerinnen machen. Bei Anni gelang ihm dieses Experiment, sie trat auf deutschen, ungarischen, österreichischen Varietébühnen auf . Herr Ungar aber brauchte viel Geld und hatte außer ihr noch einige Mädchen, die er, wenn es nicht anders ging, auf den Strich schickte. Eines Tages, im Wachzustand, merkte das Anni, und feuerte auf der Straße drei Schüsse auf ihn ab. Die Ärzte konstatierten, daß das Mädchen drei Jahre lang im hypnotischen Zustand gelebt hatte. Aus dem gefängnis befreite sie ein Eisenfabrikant Hinz (aus Semlin), der sich als ihr Onkel ausgab, den sie aber damals zum ersten Mal sah. Anni hatte Pech. Auch Hinz war ein merkwürdiger Mensch. Er hatte eine große erotische Bibliothek, hatte einen ganzen Harem von Frauen um sich und unterhielt außerdem ein Liebesverhältnis mit seiner Tochter. Er wollte auch mit Anni ein Verhältnis beginnen, aber sie entfloh und wurde lieber die Geliebte des sehr bekannten Wiener Varietébesitzers Feigl. Sie tritt nun als Wahrsagerin auf, und jeden nachmittag sitzt sie im Café Dohner und erzählt den noch Neugierigen ihren Schicksalsweg, und vor allem, daß sie Fürstin sei. - (szi)

Fürstin  (2)  FÜRSTIN: Ich war sight-seeing und shopping. Alle meine süßen kleinen intimen Sächelchen habe ich hier bei mir, im Täschchen, zusammen mit der Schminke und dem anderen Gerümpel. Ich bin so sehr Weib, daß es beinahe zum Himmel . . . richtig, daß es schon ausgesprochen duftet, nach etwas - ihr wißt schon - etwas sehr, sehr Unanständigem und dabei höchst Verlockendem. Oh — es gibt nichts Abscheulicheres - mit langem »seh« - als die Frau, wie ein berühmter Komponist einmal ganz richtig gesagt hat, und bei aller Abscheulichkcit nichts Lieblicheres. Schlägt aus aller Kraft mit einer Reitpeitsche auf Scurvy ein, der wildquiekend hochfährt, sich auf alle vier Beine stellt und mit gesträubtem Fell drohend zu knurren beginnt. Hoch, mein Süßer, hoch, auf der Stelle, verkorkstes, vermorschtes Gehirn. Jetzt verzehre ich ganz gemütlich deine Hirnsubstanz und bestreue sie zuvor mit den Semmelbröseln der raffiniertesten Qualen. Hier, zuerst ein Pülverchen, das dir unerschöpfliche erotische Leistungsfähigkeit verleiht, auf daß du ewig unbefriedigt bleiben mögest!

Sie wirft ihm ein Pulver hin, das er sofort hinunterschlingt, worauf er sich eine Zigarette anzündet und fortan unter Zuhilfenahme der rechten Pfote weiterraucht.

SCURVY: Nach Babylon mit dieser Hure! - dieser fleischgewordenen Super-Bafomet, dieser zitzenstrotzenden Circe, dieser . . . Schluckt ein zweites Pulver, das ihm die Fürstin reicht. Sie hockt sich neben ihn, er legt das Maul auf ihre Knie und vollführt dabei mit dem Hinterteil kreisförmige Bewegungen.

FÜRSTIN singt:

Träum süß von mir,
mein liebes, kleines Hundchen,
nie wieder wirst du
auf den Hinterbeinen stehn!
So langsam nämlich quäl' ich dich zu Tode,
und aussehn wirst du —
gar nicht anzusehn!
Und nie und nimmer
sollst du mich besitzen,
und dein Gehirn wird
wie ein fremder Stuhlgang sein! —
Enthemmt und stinkend
wird es durch die Gegend spritzen,
nicht einmal wie dein eigner Stuhl,
ach, wird das ein Vergnügen sein!

Sie streichelt Scurvy, der brummend einschläft.

 - Stanislaw I. Witkiewicz, Die Schuster. Lehrstück mit Liedchen in 3 Akten. In: S.I.W., Verrückte Lokomotive. Ein Lesebuch, mit Bildern des Autors. Hg. Andrzej Wirth. Frankfurt am Main 1994 (zuerst 1934)

Fürstin  (3) Sie huschte im Zimmer umher, betrachtete die Bilder und die Bücher, wobei sie die ganze Zeit hochnäsig den Kopf erhoben hatte, aber nicht, ohne sich zwischendurch zu kratzen. Dann und wann drehte sie bei wie ein Schlachtschiff und feuerte eine Breitseite ab. Fillmore war ständig hinter ihr her, mit einer Flasche in der einen und einem Glas in der anderen Hand. «Hören Sie auf, mir so nachzurennen!» rief sie. «Und haben Sie nichts zu trinken als das da? Können Sie keine Flasche Champagner holen? Ich muß Champagner haben. Meine Nerven! Meine Nerven!»

Fillmore versuchte, mir ein paar Worte ins Ohr zu flüstern. «Eine Schauspielerin . . . ein Filmstar . . . ein Kerl hat sie sitzenlassen, und darüber kommt sie nicht weg . . . Die werde ich schon noch verrückt machen ...»

«Dann verdrücke ich mich», sagte ich, als uns die Fürstin mit einem Schrei unterbrach. «Warum flüstern Sie so?» schrie sie, und stampfte mit dem Fuß auf. «Wissen Sie nicht, daß das nicht höflich ist? Und Sie, ich dachte, Sie wollten mit mir ausgehen. Ich muß mich heute abend betrinken. Das habe ich Ihnen bereits gesagt.»

«Ja, ja», beschwiditigte Fillmore sie, «wir gehen sofort. Ich will nur noch ein Glas trinken.»

«Sie sind ein Schwein!» schrie sie. «Aber Sie sind auch ein netter Junge. Nur sind Sie zu laut. Sie haben keine Manieren.» Sie wandte sich zu mir. «Kann ich ihm trauen, daß er sich benimmt? Ich muß mich heute nacht betrinken, aber ich will nicht, daß er mich blamiert. Vielleicht komm ich nachher hierher zurück. Ich würde mich gerne mit Ihnen unterhalten. Sie scheinen intelligenter.»

Als sie gingen, schüttelte mir die Fürstin herzlich die Hand und versprach, an einem der nächsten Abende zum Essen zu kommen, «wenn ich nüchtern bin», fügte sie hinzu.

«Schön!» sagte ich. «Bringen Sie eine andere Fürstin mit, oder wenigstens eine Gräfin. Wir wechseln jeden Samstag die Bettwäsche.»   - (krebs)

Fürstin  (4) Thunfisch hatte die Abteilung halb durchschritten. Da betraf eine schwarze Fürstin, eine gewaltige Negerin von mindestens zwei und einem halben Zentner, in der Tracht ihres Landes das Gelände. Die sie umgebenden Gewänder und bunten Tücher gaben von Zeit zu Zeit den Blick auf ein kleines um sie herum laufendes Männchen weißer Hautfarbe preis, mit dem sie sich auf französisch unterhielt; ihr Dolmetsch offenbar.

Sie, die noch jung wirkte, vielleicht 25, betrat diesen Teil des Raumes wie eine Königin, oder wie eine Millionärin, der der Ruf vorausgeht, sie werde eine Provinz kaufen. Es war nicht auszuschließen, daß sie aus einem Lande kam, in dem Vielweiberei noch gesellschaftlicher Brauch ist, und daß ihr, als womöglich sogar gekrönter Lieblingsfrau des Landesherren die Aufgabe zukam, für die feine Wäsche des gesamten Frauenhauses Sorge zu tragen. Nicht zuletzt Ist bekannt, mit welcher Anmut und Grazie, Hoheit und Würde die Bewohner Afrikas Kleidung und Gegenstände zu tragen verstehen, wie sie in Kaufhäusern billigster Art angeboten werden und uns farblos und stumpf gewordene Europäer, wollten wir uns ihrer bedienen, als Angehörige niedrigster Einkommensklassen ohne jeden Geschmack ausweisen oder gar als Besucher von Faschingsfesten demaskieren würden.

Die Landestracht, der Dolmetsch, die gewichtige Hoheit der Dame, Vorstellungen, wie Thunfisch sie auch hatte - das und mehr traf zusammen und rief außer dem stellvertretenden Abteilungsleiter vier Verkäuferinnen auf den Plan, die hinter dem Dolmetsch das Gefolge bildeten und die also Geehrte zu jenem Tisch begleiteten, auf dem eine große Zahl verschiedenfarbiger Einzelstücke sich zu einem Hügel häufte, der rings von einer niederen Glasbegrenzung umzäunt war. Sie gab einige leise Entzückungsrufe, die einer Europäerin nicht minder angestanden hätten, von sich und begann mit beiden Händen zu graben. Es handelte sich ausnahmslos um winzige Büstenhalter und Höschen, sogenannte Slips, die Höschen an Seiten und Bein, die Büstenhalter am oberen Rand mit Spitzen verziert. In allen Farben und Mustern. Doch mochten sich die lebhaftesten Vorstellungen an das scheinbare Mißverhältnis zwischen der Käuferin und den kleinen Größen der Kleidungsstücke, die sich am Leib freilich dehnen würden, knüpfen.  - Peter O. Chotjewitz, Hommage à Frantek. Nachrichten für seine Freunde. Reinbek bei Hamburg 1965

 

Dame Fürst

 

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