röhlichkeit Ihr habt von der wunderbaren Wirkung des Haschischs undeutlich reden gehört. Eure Einbildungskraft hat einen besonderen Gedanken, so etwas wie ein Ideal des Rausches, vorweggenommen. Es verlangt euch danach, zu wissen, ob die Wirklichkeit entschieden auf der Höhe eurer Hoffnungen sein wird. Das genügt, euch von Anfang an in einen Angstzustand zu versetzen, welcher für die erobernde und euch überfallende Laune des Giftes recht günstig ist. Die meisten Neulinge beklagen sich auf der ersten Stufe der Einweihung über die Langsamkeit der Wirkungen. Sie erwarten sie mit einer kindischen Ungeduld, und da die Droge ihrer Meinung nach nicht schnell genug wirkt, prahlen sie mit ihrer Ungläubigkeit, was für die alten Eingeweihten, die wissen, wie Haschisch sich verhält, recht vergnüglich ist. Die ersten Anwandlungen tauchen wie die Anzeichen eines lange zögernden Gewitters auf und vervielfachen sich mitten in dieser Ungläubigkeit. Zunächst ist da eine gewisse abgeschmackte und unwiderstehliche Heiterkeit, die sich eurer bemächtigt. Die unmotivierten Anfälle von Fröhlichkeit, deren ihr euch beinah schämt, wiederholen sich immer häufiger und unterbrechen Augenblicke voller Bestürzung, in denen ihr euch umsonst aufzufangen sucht. Die einfachsten Worte, die einfältigsten Gedanken erhalten ein neues und sonderbares Gepräge. Ihr wundert euch sogar darüber, daß ihr sie bis dahin so einfach gefunden habt. Ungehörige Anspielungen und Vergleiche, die unmöglich vorauszusehen waren, endlose Wortspiele, schwache Versuche zur Komik sprudeln ununterbrochen aus eurem Gehirn hervor. Der Dämon hat euch überfallen. Es ist aussichtslos, sich dieser Heiterkeit, die schmerzhaft ist wie ein Kitzel, zu widersetzen. Dann und wann lacht ihr über euch selbst, über eure Albernheiten und Torheiten; und eure Kameraden, falls ihr welche habt, lachen ebenfalls über euren und ihren eigenen Zustand. Doch da sie ohne Bosheit sind, grollt ihr ihnen nicht.

Diese Fröhlichkeit, die abwechselnd matt und peinlich ist, das Unbehagen in der Freude, die Unsicherheit, die Unentschlossenheit dauern in der Regel nur kurze Zeit. Bald werden die gedanklichen Zusammenhänge so unbestimmt, der Faden, der eure Einfälle verbindet, wird so dünn, daß nur eure Verbündeten euch noch verstehen können. Und doch besteht bei diesen Dingen und von dieser Seite her keine Möglichkeit, das alles zu überprüfen. Vielleicht glauben alle nur, euch zu verstehen, und diese Einbildung beruht auf Gegenseitigkeit. Der Mutwille und das schallende Gelächter, das Explosionen gleicht, erscheinen jedem, der sich nicht im selben Zustand befindet wie ihr, als tatsächliche Verrücktheit oder wenigstens als die Narrheiten eines Wahnsinnigen. Ebenso belustigen euch die Besonnenheit und der gesunde Menschenverstand, die Regelmäßigkeit der Gedanken beim vorsichtigen Zeugen, der nicht berauscht ist, und sie erheitern euch wie eine besondere Art von Wahnwitz. Die Rollen sind vertauscht. Seine Kaltblütigkeit veranlaßt euch zu äußerstem Spott. Ist es nicht eine auf geheimnisvolle Weise komische Situation, wenn ein Mensch sich einer Fröhlichkeit erfreut, die für jeden, der nicht in derselben Lage ist wie er, unverständlich bleibt? Der Verrückte hat Mitleid mit dem Besonnenen, und von da an beginnt sich sein Überlegenheitsgefühl bemerkbar zu machen. Bald wächst es, wird größer und mächtiger und wird wie ein Meteor zerstieben.  - Charles Baudelaire, Die künstlichen Paradiese. Zürich 2000 (zuerst ca. 1860)

Fröhlichkeit (2)  Viele der brillantesten Intellektuellen unserer Zeit drängen uns  zur verkrampften Jagd nach seltenen Lustbarkeiten. Walter Pater meinte, wir seien alle zum Tode verurteilt; uns bleibe einzig und allein, erlesene Augenblicke um ihrer selbst willen zu genießen. Die gleiche Lektion lehrt uns die ebenso verzweifelte wie einflußreiche Philosophie Oscar Wildes. Es ist die Religion des carpe diem; aber das ist nicht die Religion glücklicher, sondern höchst unglücklicher Menschen. Große Fröhlichkeit sammelt nicht die Rosenknospen, deren sie habhaft werden kann; ihre Augen hängen fest an der unsterblichen Rose, die Dante sah. Große Fröhlichkeit birgt in sich ein Gefühl von Unsterblichkeit; die Herrlichkeit der Jugend besteht in dem Bewußtsein, die ganze Welt zu haben, um sich darin zu entfalten. In aller großen komischen Literatur, in Tristram Shandy oder den Pickwickern, findet man dieses Bewußtsein von Weltenfülle und Unvergänglichkeit; wir spüren, daß die Figuren vom Tode befreite Menschen in einer unendlichen Geschichte sind. - Gilbert Keith Chesterton, Ketzer. Eine Verteidigung der Orthodoxie gegen ihre Verächter. Frankfurt am Main 2004 (it 3023, zuerst 1905)

Fröhlichkeit (3)  Den ganzen Tag freuete er sich auf oder über etwas. »Vor dem Aufstehen«, sagt' er, »freu' ich mich auf das Frühstück, den ganzen Vormittag aufs Mittagessen, zur Vesperzeit aufs Vesperbrot und abends aufs Nachtbrot - und so hat der Alumnus Wutz sich stets auf etwas zu spitzen.« Trank er tief, so sagt' er: »Das hat meinem Wutz geschmeckt« und strich sich den Magen. Niesete er, so sagte er: .»Helf dir Gott, Wutz!« - Im fieberfrostigen Novemberwetter letzte er sich auf der Gasse mit der Vormalung des warmen Ofens und mit der närrischen Freude, daß er eine Hand um die andre unter seinem Mantel wie zu Hause stecken hatte. War der Tag gar zu toll und windig - es gibt für uns Wichte solche Hatztage, wo die ganze Erde ein Hatzhaus ist und wo die Plagen wie spaßhaft gehende Wasserkünste uns bei jedem Schritte ansprützen und einfeuchten -, so war das Meisterlein so pfiffig, daß es sich unter das Werter hinsetzte und sich nichts darum schor; es war nicht Ergebung, die das unvermeidliche Übel aufnimmt, nicht Abhärtung, die das ungefühlte tragt, nicht Philosophie, die das verdünnte verdauet, oder Religion, die das belohnte verwindet: sondern der Gedanke ans warme Bett wars. »Abends«, dacht' er, »lieg' ich auf alle Fälle, sie mögen mich den ganzen Tag zwicken und hetzen, wie sie wollen, unter meiner warmen Zu-deck und drücke die Nase ruhig ans Kopfkissen, acht Stunden lang.« - Und kroch er endlich in der letzten Stunde eines solchen Leidentages unter sein Oberbett: so schüttelte er sich darin, krempte sich mit den Knien bis an den Nabel zusammen und sagte zu sich: »Siehst du, Wutz, es ist doch vorbei.«

Ein andrer Paragraph aus der Wutzischen Kunst, stets fröhlich zu sein, war sein zweiter Pfiff, stets fröhlich aufzuwachen - und um dies zu können, bedient' er sich eines dritten und hob immer vom Tage vorher etwas Angenehmes für den Morgen auf, entweder gebackne Klöße oder ebensoviel äußerst gefährliche Blätter aus dem Robinson, der ihm lieber war als Homer - oder auch junge Vögel oder junge Pflanzen, an denen er am Morgen nachzusehen hatte, wie nachts Federn und Blätter gewachsen. - Jean Paul, Leben des vergnügten Schulmeisterlein Maria Wutz in Auenthal. Eine Art Idylle

Freude
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