riedrichstraße Es
ist in der Friedrichstraße gegen zwölf Uhr nachts. Man lebt hier wie in einem
Taumel, der Krieg hat alle diese harmlosen bürgerlichen Menschen zu Bestien
gemacht. Sie kreischen wie die Irren, es kommt zu Streit und Zweikämpfen, sie
flöten und johlen, als wären sie in der Manege eines Zirkus. Dabei fällt das
rote violette Licht aus den ersten Etagen der Cafés in die erregte Straße -
die Städte sind bezecht und die Wolken wandern als grüne Teufel über den Dächern.
Das fühlt Billig alles und er hört den dröhnenden Lärm der Untergrundbahn unter
seinen Füßen, der ein Gewitter anzukündigen scheint, das gellende Schreien und
Rattern der Straßenbahnen schiebt ihn fort, er ist umwoben von dem Gespräch
der trappelnden Pferdebeine. Hundert verschiedene Gesichter sind hundert verschiedene
Typen, die hundert verschiedene Leben einschließen und darstellen. An der Straße,
um die weißen Marmortische der Cafés hocken Familien ohne Kopf, eine Mutter,
die nur aus einem großen Bauch besteht, Mädchen, von denen nur einige tanzende
Spinnenarme ans Leben erinnern. Hüte wandern allein durchs Lokal und bestellen
zu essen, vor einem Kleiderständer redet ein Mensch seinen Überzieher an, sucht
ihn zu überreden und verläßt ihn enttäuscht und in tiefer Traurigkeit. Billig
hat die Fähigkeit der Begeisterung. Er sagt: »Dreh dich! - Knalle! Explodiere!«
- Richard Huelsenbeck, Doctor Billig am
Ende. München 1921
|
||
![]() |
||
![]() |
![]() |
|
![]() |
||
|
|
|
![]() ![]() |
![]() ![]() |