Freund, alter   Phineas tätschelte seinen Arm. »Geh schön nach Hause, und nimm noch ein heißes Bad, und dann sofort ab ins Bett.«

»Wirklich eine gute Idee. Dank dir, Phineas. Ich weiß deine Freundlichkeit zu schätzen.« Shadrach blickte auf Phineas' Hand auf seinem Arm. Seit Jahren war er Phineas nicht so nah gewesen.

Shadrach betrachtete die Hand. Verwundert runzelte er die Stirn.

Phineas' Hand war riesig und rauh, und seine Arme waren kurz. Seine Finger waren stumpf; seine Nägel gebrochen und gerissen. Fast schwarz, so sah es zumindest im Mondschein aus.

Shadrach sah Phineas an. »Merkwürdig«, murmelte er.

»Was ist merkwürdig, Shadrach?«

Im Mondschein wirkte Phineas' Gesicht sonderbar klobig und brutal. Noch nie hatte Shadrach bemerkt, wie stark das Kinn hervorragte, was für einen mächtig ausladenden Unterkiefer Phineas hatte. Die Haut war gelb und rauh, wie Pergament. Hinter den Brillengläsern waren die Augen wie zwei Steine, kalt und leblos. Die Ohren waren riesig, das Haar strähnig und verfilzt.

Merkwürdig, daß ihm das noch nie aufgefallen war. Aber er hatte Phineas auch noch nie im Mondschein gesehen.

Shadrach trat zurück und betrachtete seinen Freund. Aus wenigen Schritt Entfernung wirkte Phineas Judd ungewöhnlich kurz und untersetzt. Seine Beine waren leicht gebogen. Seine Füße waren unglaublich groß. Und da war noch etwas -

»Was hast du?« fragte Phineas, der mißtrauisch zu werden begann. »Stimmt irgend etwas nicht?«

Etwas stimmte ganz und gar nicht. Und es war ihm niemals aufgefallen, in all den Jahren nicht, die sie Freunde waren. Phineas war eingehüllt in einen Geruch, einen leicht stechenden Gestank von verfaulendem, von verwesendem Fleisch, feuchtem, schimmligem Fleisch.

Shadrach sah sich langsam um. »Ob irgendwas nicht stimmt?« wiederholte er. »Das nicht direkt.«

An der Hauswand stand ein altes, halbzerfallenes Regenfaß. Shadrach trat darauf zu.

»Nein, Phineas. Alles in bester Ordnung.«

»Was machst du da?«

»Ich?« Shadrach ergriff eine Faßdaube und riß sie los. Er hielt die Daube fest in der Hand und ging zu Phineas zurück. »Ich bin der König der Elfen. Wer - oder was - bist du?«

Phineas brüllte auf und attackierte ihn mit seinen mächtigen, mörderischen Schaufelhänden.

Shadrach zog ihm die Faßdaube über den Kopf. Phineas röhrte vor Wut und Schmerz.

Dem Krachen der Daube folgte ein Poltern, und unter dem Haus kam eine wilde Horde von hüpfenden, springenden Kreaturen hervor, dunklen buckligen Wesen mit schweren, gedrungenen Körpern und riesigen Füßen und Köpfen. Shadrach warf einen gehetzten Blick auf die Flut dunkler Kreaturen, die sich aus Phineas' Keller ergoß. Er wußte, was das für Wesen waren.

»Hilfe!« rief Shadrach. »Trolle! Hilfe!«   - Philip K. Dick, Der König der Elfen. In: P.K.D., Kolonie. Sämtliche Erzählungen Band 2. Zürich 1999

Freund

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