Freiheitsdrang  Ich möchte in alle Löcher eindringen, die man sich nur ausdenken kann, die Via Nazionale auf und ab laufen wenn es Karneval ist und in die Fontana dell'Esedra tauchen, zusammen mit den Nymphen aus Bronze, die mit den Meerungeheuern scherzen. Ich möchte so lang werden wie ein Zug von Rom nach Mailand. Habt ihr schon von der riesigen Pappel von Tuba des Propheten Mohammed gehört? Ich möchte mich noch viel höher recken als dieser Baum. Immer höher möchte ich fliegen, wie die Vögel und die Flugzeuge über den Hausdächern und auf alle Obelisken der Stadt hinunterspucken.

Glaubt ihr eigentlich ihr wärt mir ein Ärgernis, weil ihr so gerade und so hart zum Himmel aufstrebt? Ich lebe und ihr seid aus leblosem Stein. Ihr genießt das Leben nicht, ihr steht einfach da, stocksteife Monolithen, und verwittert in Regen und Wind. Wenn man euch nicht dann und wann restauriert, stürzt ihr ein. Wenn ihr glaubt, ewig zu sein, so täuscht ihr euch gewaltig, ein paar Jahrhunderte genügen, und ein kleines Erdbeben zertrümmert euch. Wer euch erfunden hat? Ein Müßiggänger der Antike. Und wer hat euch nach Rom gebracht? Die alten Römer, diese Räuber? Jetzt seid ihr aus der Mode gekommen, wißt ihr das? Die Leute gehen über die Plätze und setzen sich an Tischlein, um ein Eis zu essen, und keiner hebt die Augen, um euch anzuschauen, ihr werdet es sicher schon bemerkt haben, ich hoffe es wenigstens. Ihr seid nicht schön anzuschauen, mehr oder weniger gleicht ihr euch alle. Was wollt ihr darstellen? Ich verfluche euch mitsamt den Glockentürmen und der Ehrensäule für den Kaiser Antoninus und der für Trajan. Und vor allem den Glockenturm von Santa Maria dell'Anima, der wie ein Nagel aussieht mit seinen gelben und schwarzen Steinen, ich wundere mich wirklich sehr über die katholische Kirche und ihre Päpste. So viele Dinge habt ihr zensuriert, und mich habt ihr mit einem Feigenblatt bedeckt oder weggemeißelt, ihn aber habt ihr in Frieden stehen lassen.

Ich möchte mit erhobenem Kopf die Via Veneto vom Tritone bis zu der Porta Pinciana auf und ab gehen, ich möchte auf dem Corso und der Piazza die Spagna lustwandeln. Doch dies alles wird mir verweigert. Ihr haltet mich versteckt und gefangen, aus welchem Grund? Ihr seid mißgünstig. Das ist menschliche Mißgunst. Ein wenig Licht, Luft und Sonne, aber nein, ich werde wie ein Gefangener ins Gefängnis gesperrt. Man müßte eine Revolution machen, wie die Französische, um im Licht der Sonne auf die Straße zu können. Alle sind im Sommer am Meer, liegen an der Sonne und atmen die Salzluft ein, nur ich bin immer zusammengedrückt und eingeschlossen. Ein Sklave. Die Nase betrachtet ihr, ohne zu protestieren. Und die Zunge? Und die Finger der Hand? Ihr verdientet es alle miteinander, impotent zu werden, so wenigstens würdet ihr etwas daraus lernen.

Ich sage das für den Boß, man kann sein Leben nicht mit Reden vor dem Radioapparat verbringen. Was bleibt dabei für mich zu tun? Wenn er mich noch lange versteckt, wird er mich schließlich vergessen, dabei sollte man Elisabella in die Höhle einladen. Denk daran, die Fräulein sind aus der Nähe besser als von weitem. - (prot)

 

Freiheit Drang

 

  Oberbegriffe
zurück 

.. im Thesaurus ...

weiter im Text 
Unterbegriffe

 

Verwandte Begriffe
Synonyme