Frechheit, göttliche   Einmal, in einer hellen Septembernacht, zogen wir dem fernen Leuchten einer Schlacht entgegen. Stumpf und schweigend fluteten die Massen über die staubige Landstraße, die gegen einen glühenden Horizont zielte. Alle Sinne wurden verschlungen, betäubt durch die Riesengewalt des immer näher rollenden Feuers. Mitten im Strom aber ritt gleichmütig einer, der sich ein Paar mächtige Stierhörner vor den Stahlhelm gebunden hatte, wie ein zum Streite ziehender Germanengott.

Ein anderes Mal, als unter schwerster Beschießung das Städtchen Combles in sich zusammensank, von Stahl und Steinen überschauert, sahen wir zwei Leute, in Frauenkleider kostümiert, mit roten Sonnenschirmen durch die wirbelnden Trümmer laufen. Diese Leute waren vom selben Schlage wie . der Stoßtrupp, der einen Graben mit leeren Weinflaschen aufrollte, wie jene schottische Sturmmannschaft, die zum Angriff ihren Fußball gegen die feindliche Linie spielte, oder wie der deutsche Leutnant, von dem man an der Front erzählte, er hätte eine Art gefunden, die Stielhandgranate wie eine Fackel über seinem Kopfe zerschellen zu lassen, ohne daß ein Splitter ihn berührte.

Mag mancher sich bekreuzigen bei solchen Beispielen göttlicher Frechheit; ich möchte sie nicht missen. Gerade in Stunden, wo die fürchterliche Wucht der Dinge die Seele weich zu hämmern drohte, fanden sich Männer, die achtlos darüber hinwegtanzten wie über ein Nichts.  - Ernst Jünger, Der Kampf als inneres Erlebnis. Stuttgart 1980 (zuerst 1922)

 

Frechheit Götter

 

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