rauenmachen  »Ich gehe nur da hinüber. Dort scheint mir die Wand steiler und trockener zu sein. Vielleicht ist der Lehm gerade recht, um eine Frau daraus zu machen.«

»Für mich?«

»Ja, für dich.« Damit ging ich um den Tümpel herum und probierte an der anderen Wand, ob sich die Masse dort kneten ließe. Es ging ganz gut, und ich machte mich gleich an die Arbeit. Ich wollte die Frau aus der Wand herausformen. Ich war bald so davon in Anspruch genommen, daß ich meinen Freund ganz vergessen hätte, wenn er sich nicht durch Zurufe bemerkbar gemacht hätte. »Na, wie ist es?« rief er hinter meinem Rücken. »Wird es gehn?« Doch ich antwortete nicht. Ich schwitzte vor Anstrengung. Ich wollte es möglichst gut machen.

Eigentlich redete er die ganze Zeit. Und kaum waren die ersten Umrisse einer Frau an der Wand zu sehen, begann er auch schon zu kritisieren. »Mach sie nicht zu groß«, ermahnte er mich. »Sonst prügelt sie uns gar noch durch. Mach ihr die Beine nicht zu kurz, ich kann es nicht leiden. Soll sie blond oder dunkel werden? Ganz gleich, vor allem mach sie jung und hübsch, wenn du schon einmal dabei bist. Was sollen wir mit einer Häßlichen? Wir haben schon genug davon. He da, die Brüste müssen höher sitzen.« Doch ich achtete nicht darauf und tat, was ich konnte.

Dann kamen auch anerkennende Worte aus seinem Munde.

»Teufel, du verstehst dich drauf. Es wird was aus der Sache. Sie sieht verflucht gut aus. Hast du irgendein Vorbild im Sinne? Na laß nur, ich will es gar nicht wissen.«

Auch dadurch ließ ich mich nicht beirren. Ich formte unermüdlich an der Frau.

Auf einmal stand er neben mir. Ich erschrak so sehr, daß ich fast mein Werk verpfuscht hätte. Seine Stimme hatte etwas Böses. »Sag mal, mein Lieber, für wen machst du sie?«

»Für dich«, antwortete ich.

»So für mich? Ach, wie selbstlos!« höhnte er. »Und was willst du machen? Hast du noch etwas Besseres für dich aufgespart? Du willst mir doch nicht erzählen, daß du mir diese Frau überlassen wirst und selber leer ausgehst?«

Ich hielt es für das beste, ihn ausreden zu lassen, ohne etwas zu erwidern. »Ich habe dich beobachtet, mein Lieber«, fuhr er im gleichen Tone fort. »Wie hast du sie betastet! Hast du dabei etwa an mich gedacht? Glaubst du, daß dies Wesen jemals vergessen wird, wie du ihre Brüste und Schenkel geformt hast? Ach ihr! Manchmal könnt ihr nicht bis drei zählen, aber gerade damit habt ihr Erfolg. Es fliegt euch nur so zu. Du weißt genau, daß die da dir nachlaufen wird wie ein Hündchen. Diese Wesen kommen von ihrem Schöpfer nicht los.«

»Das ist nicht wahr«, rief ich nun meinerseits empört. »Im Gegenteil, sie hassen ihn, weil er sie nicht ganz vollkommen gemacht hat und ihre Mängel kennt.«

»Aber es hört sich gut an: Ich mache das für dich«, redete er unbeirrt weiter. »Danke! Danke! In dieser Hinsicht von deiner Großmut abhängig zu sein, reizt mich wenig.« Er drehte mir den Rücken und ging wieder auf die andere Seite des Tümpels. Er war wirklich wie ein störrisches Kind.

Die Frau war fertig. Das heißt, sie mußte noch von der Wand gelöst werden, mit der sie nur durch das Rückgrat verbunden war. Aber das wäre leicht zu tun gewesen. Ehe ich daran ging, wollte ich mein Werk noch einmal aus der Ferne überprüfen. Ich ging daher hinter meinem Freunde her.

»Sei doch vernünftig«, sagte ich zu ihm. »Sie lebt ja noch gar nicht.«

Das besänftigte ihn etwas. »Ja, es ist lächerlich, sich wegen eines Lehmklumpens zu streiten«, gab er zu. »Meinst du, daß sie leben wird?«  - Hans Erich Nossack, Nekyia. Bericht eines Überlebenden. Frankfurt am Main 1961 (BS 72, zuerst 1947)

Frauenmachen (2)  Er nahm den Spiegel von der Wand, um die Etappen seiner Verwandlung besser verfolgen zu können. Er entkleidete sich. Er war splitternackt, nur die Perücke hatte er aufbehalten. Er griff nach dem Rasierapparat und der Rasiercreme und rasierte sich von den Schenkeln bis zur Wade die Haare von den Beinen. Er band sich den Strumpfbandgürtel um und streifte sich die seidenen Strümpfe über, die er stramm und glatt oben an den kleinen Gummihaltern befestigte. Der Spiegel warf das Bild seiner Schenkel zurück und des Geschlechts, das dazwischenhing. Die Illusion war nahezu vollkommen, leider mußte er die Schenkel zusammenpressen und konnte sich nur trippelnd vorwärtsbewegen. Es gelang ihm jedoch, den durchsichtigen kleinen Spitzenslip überzuziehen, der sich unendlich angenehmer auf der Haut trug als die gewöhnlichen Unterhosen. Schließlich zog er den mit Einlagen ausgestopften Büstenhalter an, den Unterrock, das Kleid. Zuletzt die Pumps.

Im Spiegel zeigte sich die Gestalt einer Frau. Trelkovsky war überrascht. Schwieriger war es nicht, eine Frau zu erschaffen? Er lief im Zimmer umher und wackelte mit den Hüften. Von hinten, wenn er über seine Schulter zurückblickte, war es noch verwirrender. Er ahmte die Nummer eines Varietékünstlers nach, die er einst gesehen hatte. Mit vor der Brust gekreuzten Armen faßte er mit den Händen um seine Taille, so daß man hinter ihm den Eindruck hatte, ein engumschlungenes Paar vor sich zu haben. Der Eindruck war um so überzeugender, als er durch die Verkleidung noch bekräftigt wurde. Es waren seine Hände, seine eigenen Hände, die eine Frau streichelten. Mit der linken Hand hob er das Kleid hoch. Die Rechte glitt durch den Ärmelausschnitt und hakte den Büstenhalter los. Die Erregung bemächtigte sich seiner, als halte er eine wirkliche Frau in seinen Armen. Langsam entkleidete er sich. Nur die Strümpfe und den Strumpfbandgürtel behielt er fürs Bett an.  - Roland Topor, Der Mieter. Zürich 1976 (detebe 20358, zuerst 1964)

Frauenmachen (3)  Eines Tages begannen die Söhne von Rangi und Papa darüber nachzudenken, wie das Ira Tangata, das menschliche Leben, geschaffen werden könne.

Da sie alle männlichen Geschlechts waren, beschlossen sie, in der Natur nach Uha, dem weiblichen Element  suchen, um das männliche mit dem weiblichen Element zu verbinden und so menschliches Leben zu schaffen.  Tane leitete die Suche nach Uha, und bei seiner Suche übte er sich in der Zeugung.

So tat er sich zum Beispiel mit Hine-waoriki zusammen, dem Mädchen des Niederwaldes, und die gebar alsbald Zwillinge, den Kahika-Baum und den Matai.

Dann tat er sich mit Mumuhanga zusammen, und die gebar den Totara.

Und so ging es weiter, bis neun verschiedene Baumarten entstanden waren und das Farnkraut.

Seine Verbindung mit Punga schuf Insekten und Ungeziefer, die Verbindung mit Parauri den Tui.

Viele andere Vogelarten entstanden in der Folge, ja selbst Parawhenuamea, das Wasser, entstand, nachdem Tane Hine-tuparimaunga, dem Mädchen des Berges beigewohnt hatte. Die Nachkommen aus dieser Verbindung zeugten andere Nachkommen, und Tane wurde der Großvater der Taniwhas, Eidechsen, Felsklippen und des Gesteins, des Sandsteins, der Steine, des Kieses und des Sandes.

Noch immer aber hatte er nicht das weibliche Element gefunden.

Verzweifelt wandte sich Tane da an Papa-tu-a-nuku, seine Mutter, die Erde, und fragte sie, wo und wie er das Uha finden könne.

Papa sagte ihm, daß er zum Strand von Kuruwaka gehen solle, und dort, auf dem mons veneris der Mutter Erde, würde er roten Lehm finden; aus diesem Lehm sollte er dann eine Frau nach der Gestalt der Götter formen. So geschah es auch: Tane und seine Brüder machten sich auf zum Strand von Kurawaka und formten eine Frau nach dem Vorbild der Götter.

Die Götter schufen auch die Organe der ersten Frau — Raho, die labia majora, und Werewere, die labia minora. Tawhiri, Gott des Windes, schuf die Lungen.

Es blieb jedoch Tane überlassen, die Frau aus Erde zum Leben erstehen zu lassen. Er beugte sich über Hineahuone, was soviel bedeutet wie »Frau aus Erde«, und atmete in ihre Nasenlöcher. Da begann die Frau aus Erde zu atmen, nieste, und war ganz offensichtlich lebendig. Ira Tangata, das menschliche Leben, war entstanden. Obwohl nun Tane und seine Brüder die erste Frau geformt und auch die Organe ihres Körpers geschaffen hatten, wußten sie noch nichts über das Wesen der Fortpflanzung. Tanes Versuche, Hineahuone beizuwohnen, schlugen lange fehl; sie sind jedoch die Ursache der verschiedenen Sekrete des Körpers, die überall da entstanden, wo Tane sich in der Fortpflanzung versucht hatte. Das Ohrenschmalz entstand auf diese Weise, und auch der Speichel, der Schweiß der Achselhöhlen und die Ausscheidungen des Körpers.  - Märchen aus Neuseeland. Überlieferungen der Maori. Hg. und Übs. Erika Jakubassa. Köln 1985 (Diederichs, Die Märchen der Weltliteratur)

Frauenmachen (4)  Die Flut hatte nun alle Geschöpfe hinweggespült, und Manu allein war übriggeblieben. Um Nachkommen zu erzielen, lebte er singend und sich kasteiend. Da opferte er auch ein Paka-Opfer. Er opferte ins Wasser Schmelzbutter, saure Milch, sauren Rahm und Quark. Daraus entstand nach einem Jahr ein Weib. Noch im Emporsteigen schien es zu gerinnen. In seiner Fußspur sammelte sich Schmelzbutter.   - Indische Märchen. Hg. und Übs. Johannes Hertel. München 1953 (Diederichs, Märchen der Weltliteratur)

Frauenmachen (5)

Frauenmachen (6)  Ihre kalten Augen und ihre glatten weißen Wangen glühten vor fieberhafter Begeisterung, als sie in leidenschaftlichem und verstohlenen Flüstern die Geschichte vom Kessel der Ceridwen erzählte.

»Dieser Kessel war der echte Gral, weißt du, und er war es, der Taliessin jung machte!« Dann, ohne eine Sekunde einzuhalten, auf ihre besondere Weise Atem holend, stürzte sie sich auf die Legende von Math, Sohn des Mathowny, die Mr. Evans ihr im Mabinogion gezeigt hatte. »Arianrod - was Silberkreis heißt - auferlegte ihrem Sohn Llew ein Schicksal«, flüsterte sie, »daß er nie ein Weib aus der Rasse, die jetzt diese Erde bewohnt, haben sollte. »Schön«, sagte Math, »du und ich werden versuchen, durch Zauber und Blendwerk für ihn eine Frau aus Blumen zu formen«. Also nahmen sie die Blüten der Eiche, die Blüten des Besenginsters und die Blüten des Mädesüß und stellten daraus eine Jungfrau her, tauften sie und gaben ihr den Namen Blodeuwedd.«   - (cowp)

Frauenmachen (7)

 

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