Frauenbild, philosophisches    Die Anatomen sind nicht die einzigen, welche die Frau in gewisser Weise als einen verfehlten Mann ansehen; platonische Philosophen hatten einen ähnlichen Gedanken.

Marsilius Ficinus versichert in seinem Kommentar zum zweiten Buch der Neuheiten von Plotin, daß die Zeugungskraft eines jeden Tiers sich bemühe, ein Männchen hervorzubringen, das in seiner Art das vollkommenere sei; daß aber die universelle Natur manchmal ein Weibchen wünsche, damit die dem-Zusammenwirken beider Geschlechter geschuldete Fortpflanzung das Universum vervollkommne.

Die verschiedenen Vorurteile über die Vortrefflichkeit des Mannes in bezug auf die Frau sind von den Bräuchen der alten Völker, den politischen Systemen & den Religionen hervorgebracht worden, die sie ihrerseits veränderten. Die christliche Religion nehme ich davon aus, die, wie ich weiter unten ausführen werde, zwar eine reale Überlegenheit beim Mann festgestellt, aber nichtsdestoweniger der Frau die Rechte der Gleichheit bewahrt hat.

Man hat die Erziehung der Frauen bei allen gesitteten Völkern so sehr vernachlässigt, daß es wunder nimmt, daß man eine so große Zahl von ihnen sieht, die sich durch ihre Bildung & ihre Werke auszeichnen. Chrétien Wolf hat im Anschluß an die Fragmente illustrer Griechinnen ein Verzeichnis gerühmter Frauen vorgelegt, die in Prosa geschrieben haben. Gesondert hat er die Fragmente der Sappho & die Elogen veröffentlicht, die sie erhielt. Die Römer, die Juden & alle Völker Europas, welche die Wissenschaften kennen, hatten gelehrte Frauen.

A. Marie de Schurman hat die Frage gestellt: Schickt sich das Studium der Wissenschaften für eine christliche Frau? Sie bejaht es & will sogar, daß die christlichen Damen keine davon ausnehmen. Ihr zweites Argument beruht darauf, daß das Studium der Wissenschaften aufklärt & zu einer Weisheit verhilft, die sich durch die gefährlichen Hilfeleistungen der Erfahrung nicht erwerben läßt. Man könnte jedoch fragen, ob diese frühzeitige Klugheit nicht ein wenig Unschuld kostet. Zu ihren Gunsten läßt sich anführen, daß das Studium der Wissenschaften ganz gewiß für Zerstreuungen sorgt, welche die lasterhaften Neigungen abschwächen.

Ein hebräisches Sprichwort beschränkt nahezu das ganze Geschick der Frauen auf ihren Spinnrocken, & Sophokles sagte, Schweigen sei ihre größte Zierde. In einer entgegengesetzten Übertreibung will Platon, daß sie denselben Beschäftigungen nachgehen wie die Männer. Siehe den fünften Dialog.

An derselben Stelle will der große Philosoph, daß in seiner Republik Frauen & Kinder Gemeingut sind. Diese Regelung erscheint absurd; daher hat sie Jean de Serres Anlaß zu sehr scharfen Schimpfreden gegeben.

Die häusliche Sklaverei der Frauen & die Polygamie haben im Orient das schone Geschlecht der Verachtung anheimgegeben & es schließlich verachtenswert gemacht. Die Verstoßung & die Scheidung sind dem Geschlecht untersagt, das ihrer am meisten bedurfte & das sie am wenigsten mißbrauchen konnte. Das Gesetz der Burgunder verurteilte eine Frau, die ihren legitimen Gatten verstoßen würde, zum Tod durch Ersticken im Schlamm. Zu allen diesen Themen kann man in dem vorzüglichen Werk Vom Geist der Gesetze, Ruch XVI, nachschlagen. Alle griechischen Dichter von Orpheus bis Gregor von Nazianz haben viel Schlechtes über die Frauen gesagt. Euripides hat sie gröblich beleidigt, & von Simonides bleibt uns fast nichts außer einer harschen Schmährede auf sie. Eine große Anzahl die Frauen schmähender Zitate griechischer Dichter findet man in Samuel Clarkes Kommentar zu den Versen 416 & 455 des elften Gesangs der Odyssee. Der galante Anakreon, der den Frauen eine Schönheit beimißt, die Feuer & Eisen besiege, sagt gleichzeitig, die Natur habe ihnen die Klugheit versagt, die das Erbteil der Männer sei.

Die lateinischen Dichter sind dem Geschlecht kaum gewogener; & ohne Juvenals berühmte Satire zu erwähnen, ohne Stellen von Ovid & mehreren anderen zusammenzutragen, will ich mich damit begnügen, folgenden Ausspruch von Publilius Syrus zu zitieren, den einer unserer Dichter wie folgt wiedergegeben hat: »Eine Frau, die denkt, denkt ganz gewiß schlecht.« In seinem Dialog (Bd. II) unterstellt Platon hauptsächlich den Frauen den Ursprung des Aberglaubens, der Gelübde & der Opfer. Strabon ist derselben Ansicht im VII. Buch seiner Geographie: die Juden, die nicht an ihre abergläubischen Zeremonien glauben, beschuldigen die Frauen der Magie & sagen, je mehr Frauen es gebe, desto mehr Hexen gebe es.

Vielleicht hat man den Frauen nur deshalb okkulte Kräfte wie Aberglauben & Magie zugeschrieben, weil man ihnen mehr Geistesgahen unterstellte, als man ihnen bewilligen wollte; deshalb sagte Titus Livius, die Frau sei ein ohnmächtiges & unbezähmbares Tier. Das Prinzip der Schwäche & der Minderwertigkeit der Frauen würde ihnen zum Vorteil gereichen, wenn alle Welt mit Aristoteles daraus den Schluß zöge, daß es ein größeres Verbrechen ist, eine Frau zu töten, als einen Mann. (Siehe die Problemata von Aristoteles, Abschnitt. 29.11.)

Es ist bemerkenswert, daß man glaubte, man besudele sich durch den legitimen Verkehr mit den Frauen, & daß man sich bei den Babyloniern, den Arabern, den Ägyptern, den Griechen & den Römern am Vortag der Opferfeste seiner enthielt. Die Hebräer meinten, man verliere durch einen legitimen Verkehr sogar die Gabe der Prophezeiung; was mich an die hoffärtige Maxime eines alten Philosophen erinnert, der sagte, man solle den Frauen nur beiwohnen, wenn man schlechter werden wolle.

Die Rabbiner glauben nicht, daß die Frau nach dem Bilde Gottes geschaffen wurde; sie versichern, sie sei weniger vollkommen gewesen als der Mann, weil Gott sie nur deshalb gebildet habe, damit sie ihm eine Hilfe sei. Ein christlicher Theologe (Lambertus Danaeus, In antiquitaübus) lehrte, das Bild Gottes sei beim Mann sehr viel lebhafter als bei der Frau. In der Geschichte der Juden von Basnage findet man eine merkwürdige Stelle: »Gott wollte die Frau weder aus dem Kopf noch aus den Augen &c. erschaffen (aus Angst, sie könne die mit diesen Körperteilen verbundenen Laster haben); aber mochte man auch einen ehrbaren & harten Teil des Mannes wählen, von dem kein Makel ausgehen zu können scheint (eine Rippe), die Frau verfehlte dennoch nicht, sie alle zu haben.« Dies ist die Beschreibung, welche die jüdischen Autoren uns von ihr geben. Vielleicht wird man sie für so zutreffend halten, fügt Basnage hinzu, daß man sie nicht als eine ihrer Visionen ansehen mag & sich vorstellt, daß sie damit eine bekannte Wahrheit in bildliche Worte kleiden wollten. Andere Rabbiner haben das hebräische Wort stelah, das man gewöhnlich als Rippe auffaßt, mit Sehe übersetzt: sie erzählen, daß der erste Mensch ein Zwitter & androgyn war & man eine Axt benötigte, um die beiden Körper zu trennen. Dieselbe Fabel liest man bei Platon, dem die Rabbiner sie entlehnt haben, wenn man Le Clerc in seinem Kommentar zum Pentateuch Glauben schenken darf.

Gotthard Heidegger hat angemerkt (De historia patriarcharum), daß Moses nicht von Evas Seele spricht & daß man den Grund dafür ahne. Fest steht, daß die Frauen im jüdischen Gesetz zu beklagen waren, wie Le Clerc dargelegt hat. Jesus Christus selbst hat uns gesagt, daß den Hebräern nur wegen ihrer Hartherzigkeit die Verstoßung erlaubt war; aber als er nicht wollte, daß der Mensch scheide, was Gott zusammengefügt hat, schrien seine Jünger auf & meinten, so werde die Ehe eine Last. Th. Crenius bemerkt in seinen Animadversiones philologicas de historicae, daß niemand die Frauen mehr mißhandelt & mehr empfohlen hat, sich vor ihnen zu hüten, als Salomon, der diesem Laster dennoch frönte; während Jesus Christus ihnen gegenüber sanfter war & eine große Zahl von ihnen bekehrt hat. Deshalb glauben manche, so sagt er, Jesus Christus habe eine Vorliebe für dieses Geschlecht gehabt. Tatsächlich hat er auf der Erde eine Mutter gehabt & keinen Vater; die erste Person, die sich nach seiner Auferstehung zeigte, war Maria Magdalena, &c.

Die Personen, die auf die Ehe verzichten, sollen seit der Einführung der christlichen Religion der Vollkommenheit näherkommen; die Juden dagegen halten die Ehelosigkeit für einen fluchwürdigen Stand. «

Der hl. Petrus befiehlt in seinem ersten Brief (3,7) den Männern, ihre Frauen rücksichtsvoll zu behandeln, weil sie das schwächere Geschlecht seien. Die Juden sagen, die Frau sei ein unvollkommenes Gefäß; daß der Ehemann, so schließt der Hebräer, mehr Kraft habe; denn das kann bedeuten, daß die Frau ohne Hilfe des Mannes nur ein Embryo ist. (Siehe Talmud, Gernara über Sanhedrin, Kap.II, Segm. 5.)

Petrus Calanna wagt in einem sonderbaren Buch mit dem Titel Philosophia seniorum sacerdotia & platonica zu sagen, Gott sei männlich & weiblich zugleich, Godofredus Arnoldus vertrat in seinem Buch De Sophia diese monströse Ansicht, die dem Platonismus entsprungen ist, welcher auch die Äonen oder hermaphroditische Gottheiten der verschiedenen Valentinians ins Leben gerufen hat. Beausobre (Histoire du Manicheisme, Bd. II) meint, daß diese Äonen allegorisch waren, & er stützt sich darauf, daß der christliche Bischof Synesios Gott zwei Geschlechter beilegte, wiewohl er wußte, daß Gott keine Körperorgane, erst recht keine Zeugungsorgane hat. Bei Synesios liest man aber nur, daß der Körper der Gottheit nicht aus der Tiefe der Materie gebildet ist, was nicht heißt, daß Gott kein Körperorgan hat. Außerdem laßt sich leicht nachweisen, & Nikephoros Gregoras sagt es in seinem Kommentar zu Synesios an mehreren Stellen, daß Synesios ein Nachahmer & Anhänger Platons war.

Die Manichäer meinten, daß Gott, als er den Menschen schuf, ihn weder als Mann noch als Frau geformt habe, sondern daß die Trennung der Geschlechter das Werk des Teufels sei.   - Barthez, nach (enc)

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