rauenbewegungen
Frauen. Seit einiger Zeit sind sie mir nicht nur wegen ihrer Weiblichkeit lieb,
sondern auch wegen ihrer Körper selbst, mit denen es mir gelungen ist, jene
Geschöpfe zu ersetzen, die meine mangelnde Geduld leider von mir vertrieben
hat: die Tiere mit ihrer belebenden oder zumindest versöhnenden Tugend, kurz
mit dem gewissen Etwas, das mir von ihnen zuwuchs und das mich in vielen Fällen
buchstäblich gerettet hat, selbst vor dem leiblichen Tod. Um auf die Frauen
zurückzukommen, ich bin nicht mehr so weit entfernt von dem Zustand des alternden
Mannes, der sich an das klammert, was ihm entflieht. - Aber das stimmt überhaupt
nicht: Nicht damit zufrieden, mich zu verleumden, beuge ich mich auch noch ständig
dem allgemeinen Urteil oder dem eines anderen, aus Freundlichkeit, aus natürlicher
Unzulänglichkeit und zugleich aus Versehen. Das stimmt überhaupt nicht: Im Gegenteil,
ich bin - weit entfernt von irgendeinem trüben Bedauern - lediglich dabei, die
Frauen gewissermaßen neu zu entdecken. Ihre Körper haben mir z. B. nie sonderlich
gefallen und mich nur gelegentlich entflammt; aber gelegentlich oder nicht,
diese Entflammungen scheinen genügt zu haben, um heute eine verzweifelte Trübung
auszulösen. Dagegen kann ich mich an den Körpern uneigennützig erfreuen und
sie wie ihre Trägerinnen seenen und mich einen Augenblick lang mit dem Leben
versöhnen. Manchmal genügt es mir zu sehen, wie sie ihres Weges gehen, um mich
beinahe fröhlich und beinahe glücklich zu fühlen (über diese weiblichen Bewegungen
gibt es eine kuriose Passage von Jack London). Es ist jedoch nicht so, daß die
Frauen von hier mir nicht zu schaffen machten, denn von ihnen geht eine besondere
Provokation aus. Erstens einmal sind die Frauen von San Remo schön, was schon
nicht wenig ist; und dann sprechen sie eine außerordentlich erregende Sprache
(auch wenn ein anderes Idiom auf weiblichen Lippen immer diesen Effekt hat);
doch vor allem besitzt ihre Schönheit einen besonderen Charakter, den zu definieren
jetzt mühsam wäre. Um" zu einem Beispiel oder Bild zu greifen: Neulich
war in dem Laden hier unten ein Mädchen von zehn Jahren (wie es später selbst
sagte), aber blond, blaß und sehr zart, das plötzlich den Mund auftat und redete.
Und das war wie . . . lassen wir es. Kurz, sie redete mit einer robusten und
etwas rauhen Stimme, in offenem Kontrast zu ihrem Aussehen, dem sie, genauer
gesagt, mit ihrer Stimme Saft und Kraft, den Zauber und sogar die fleischliche
Verführung verlieh und es dabei als etwas zur gleichen Zeit Starkes und Zartes
offenbarte oder vielmehr als eine der Essenzen, oder gar die einzige, von Zartheit
und Anmut und Zärtlichkeit. (Verfluchter Schwulst: Ich komme mir tatsächlich
wie ein Professioneller bei der Arbeit vor.) Und ich meine, daß dieser Charakter,
vorausgesetzt, daß er aus meinem Geschwätz erkennbar wird, mehr oder weniger
allen Frauen von hier gemeinsam ist. Und wie macht man es, sich hinter ihrer
Stimme nicht ihre verborgenen Reize vorzustellen? Mit besonderer Aufmerksamkeit
für das, was die Frauen artig ihren «empfindlichen Punkt» nennen. Und wenn man
nun bedenkt, daß die Liebe zum großen Teil darin besteht, etwas aufzuzwingen,
und parallel und vielleicht als Folge daraus die Tatsache, daß die Frauen, im
Gewand der Scham, ihre Geschlechtsmerkmale wie Gebrechen empfinden und tragen,
und wenn man beides kombiniert, ist leicht zu sehen, wo die größere Provokation
liegt. (Von wegen leicht! Ich gebe auf, weil ich keine Lust mehr habe weiterzumachen,
während man hier, um nicht den Kopf zu verlieren, eine Seite nach allen Regeln
der Kunst brauchte.) Kurz, vielleicht will ich sagen, je spröder eine Frau nach
außen hin ist, desto aufreizender ist sie, und andererseits, je fähiger sie
zum Widerstand ist, desto mehr zeichnet sich der eventuelle Sieg ab: was nicht
sonderlich originell ist (aber es ist offensichtlich, daß ich mich verfranzt
habe). Und um das abzuschließen, welche Wollust fände man nicht darin, sich
diese Frauen gefügig zu machen; und wie süß wäre es nicht, von ihnen geliebt
zu werden, wenn sie sich selbst hingäben, aber wie gegen ihren eigenen Willen,
wenn sie rebellisch und zugleich Sklavinnen wären! - (land3)
Frauenbewegung
(2)
- Georges Pichard, Kamasutra-Illustrationen
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