rau,
erwartungsvolle
Die Menegazzi verbrachte, wie alle Frauen, die allein wohnen, ihre Stunden in
einem Zustand der Bedrängnis oder zumindest zweifelvoller und angstvoller Erwartung.
Seit einiger Zeit hatte sich diese ihre fortdauernde Furcht vor dem Schrillen
der Klingel in einen Komplex von Vorstellungen und bedrohlichen Gestalten ausgewachsen:
Männer mit Gesichtsmasken vor allem, Filzsohlen an den Füßen, wiederholte, völlig
geräuschlose Einbrüche in die Diele, Hammerschläge auf den Kopf, "Würgegriffe
mit der Hand oder mit einer geeigneten Schnur, etwa nach vorausgegangenen »Mißbehandlungen«,
letzteres eine Vorstellung, beziehungsweise ein Ausdruck, der in ihr unsagbare
Erregung auslöste. Vermischte Ängste und Wahnvorstellungen: begleitet, unter
Umständen, von plötzlichem Herzklopfen, hervorgerufen durch ein unversehenes
Knacksen im Dunkeln, in einem Schrank, der älter war als die anderen: jedenfalls
gingen solche düsteren Anzeichen dem Ereignis voraus. Welches schließlich und
endlich ja nicht hatte ausbleiben können. Die lange Erwartung eines Überfalls
in der Wohnung, dachte Ingravallo, war wirkender Umstand geworden, nicht so
sehr was sie betraf, und ihre Aktionen und Gedanken als bereits vorbelastetes
Opfer, vielmehr als Mitwirkung am Schicksal, im »Kraftfeld « des Schicksals.
Die Figurenanordnung eines Verbrechens hatte sich nach der historischen Prädisposition
abspielen müssen: hatte gewirkt: nicht nur auf die Psyche der zu Berauben-Erstechen-Mißhandelnden,
sondern auf ihr Umwelts-»Feld«, auf das äußere psychische Spannungsfeld. Denn
Ingravallo schrieb, ähnlich wie gewisse unserer Philosophen, jenem System von
Kräften und Wahrscheinlichkeiten, das jede lebende menschliche Kreatur umgibt,
und das man gemeinhin Schicksal nennt, eine Seele zu, vielmehr eine schmutzige
Drecksseele. Kurzum: ihre Heidenangst hatte die Menegazzi ins Unglück gebracht.
Ihr vorherrschendes Denken pflegte sich bei. jedem Klingeln
in jenes »Wer ist da ?« zu koagulieren, in das Blöken oder Röhren, das so bezeichnend
ist für jede Gefangene, welche die traurigen Laren nicht zu schützen vermögen.
In ihr war es ein zitternder Gegenlaut zum Trillern der Klingel, zu den häuslichen
Instanzen der Türglocke. - Carlo Emilio Gadda, Die gräßliche Bescherung
in der Via Merulana. München 1988
|
||
|
|