rau,
enorme Fannie war so umfangreich, daß sie sich niemals hinlegte,
nicht einmal zum Schlafen. Tag und Nacht saß sie in einem riesigen Schiffskapitänssessel,
der am Deck ihrer Wohnung festgeschraubt war, und der Linoleumboden wies Druckstellen
und Dellen auf, die ihr ungeheures Gewicht hineingedrückt hatte. Sie bewegte
sich so wenig wie möglich, und wenn sie zur Tür hinüberwogte, wirbelte der Atem
in ihrer Lunge und in der Kehle; sie tat dies auch nur, um sich hinaus auf den
Flur und in die enge Toilette auf der anderen Seite zu drängen, wo sie früher
oder später nicht mehr herauszukommen, schmachvoll in der Falle zu sitzen fürchtete.
»Mein Gott«, meinte sie oft, »wäre das furchtbar, wenn ich mich von der Feuerwehr
dort herausholen lassen müßte!« Und dann zurück in ihren Sessel, neben das Radio
und das Grammophon, nur eine Handbewegung vom Kühlschrank entfernt, der bis
obenhin voller Eiskrem und Butter und Mayonnaise und viel zu großer Mengen vieler
anderer ungesunder Sachen war. Sie aß ununterbrochen und hörte ununterbrochen
Musik. Neben dem Kühlschrank standen Bücherregale ohne Bücher, gefüllt mit Tausenden
von Schallplatten, Aufnahmen von Caruso, Galli-Curci, Swarthout und all den
anderen. Wenn um Mitternacht die letzten Arien verklungen waren, und die letzte
Platte knisternd aufhörte, sich zu drehen, sank Fannie in sich zusammen, wie
ein vom Dunkel getroffener Elefant. Die riesigen Knochen begaben sich in ihren
ausladenden Fleischbergen zur Ruhe. Ihr rundes Gesicht war ein Mond, der über
das weite Territorium ihres herrschsüchtigen Körpers wachte. Sie saß da, von
Kissen gestützt, und ihr Atem gelangte nur mühsam ins Freie, wurde wieder eingesogen
und machte sich erneut davon, voller Angst vor der Lawine, die sich lösen würde,
wenn sie sich zu weit zurücklegte, so daß ihr eigenes Gewicht sie erdrücken
und ihr Fleisch die Lunge verschlingen und zerquetschen, ihre Stimme ersticken
und ihr das Lebenslicht ein für allemal ausblasen würde. -
Ray Bradbury, Der Tod ist ein einsames Geschäft. Zürich 1989
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