rau, tote  Alice Ross' Haar hatte die Farbe einer Landstraße nach einer langen Hitzeperiode. Es war zu bleich, um als golden bezeichnet, und zu kräftig, um mit Honig verglichen zu werden. Ihre Augenlider waren zart violett, und sie hatte das tragische Aussehen, das einige Frauen haben, wenn sie die Augen schließen. Ihre Lippen waren sanft geschwungen, und eine dunkle Linie lief um ihren Hals, wo das Seil ihre Haut gequetscht hatte.

Johnson riß mit einem Ruck das Tuch von ihrem Körper. »Hübsch, was ?«

Sie war schlank, nicht sehnig schlank wie ein Junge, sondern sie hatte feste Rundungen, und ihre Haut war wie blaß-rosa getöntes Cellophan, schimmernd und unergründlich, und war von zarter Struktur.

Greening berührte ihre Schulter mit den Fingerspitzen, zog sie wieder zurück. »Kalt!« sagte er. »Kalt.« Seine Stimme klang überrascht.

Sie betrachteten sie schweigend, bis der Leichenwärter herunterkam und rief: »Oben im Büro ist einer, der dich sprechen will, Johnson.«

»Mich?«

»Er sagte: die Reporter.«

»Ich nehme an, damit bist du auch gemeint, Greenie.« Johnson zwinkerte Crane zu. »Paß auf, daß ich dir die Story nicht vor der Nase wegschnappe.« Er ging voran den Gang hinunter, zur Tür hinaus, Greening folgte ihm auf den Fersen.

Der Wärter betrachtete den Körper der jungen Frau. »Ich würde gern wissen, wie alt jemand wird, wenn er so eine Klassefrau hat.« Er fuhr ihr mit der gelben Hand über die Hüfte. - Jonathan Latimer, Leiche auf Abwegen. Zürich 1988 (detebe 21592, zuerst 1936)

Frau, tote  (2)

Bist Du nun tot? Da hebt die Brust sich noch,
Es war ein Schatten, der darüber fegt,
Der in der ungewissen Dämmrung kroch
Vom Vorhang, der im Nachtwind Falten schlägt.

Wie ist Dein Kehlkopf blau, draus ächzend fuhr
Dein leises Stöhnen von der Hände Druck.
Das ist der Würgemale tiefe Spur,
Du nimmst ins Grab sie nun als letzten Schmuck.

Die weißen Brüste schimmern hoch empor
Indes Dein stummes Haupt nach hinten sank,
Das aus dem Haar den Silberkamm verlor.
Bist Du das, die ich einst so heiß umschlang?

Bin ich denn der, der einst bei Dir geruht
Vor Liebe toll und bittrer Leidenschaft,
Der in Dich sank wie in ein Meer von Glut
Und Deine Brüste trank wie Traubensaft?

Bin ich denn der, der so voll Zorn gebrannt
Wie einer Höllenfackel Göttlichkeit,
Und Deine Kehle wie im Rausch umspannt,
In Hasses ungeheurer Freudigkeit?

Ist das nicht alles nur ein wüster Traum?
Ich bin so ruhig und so fern der Gier.
Die fernen Glocken zittern in dem Raum,
Es ist so still wie in den Kirchen hier.

Wie ist das alles fremd und sonderbar?
Wo bist Du nun? Was gibst Du Antwort nicht?
– Ihr nackter Leib ist kalt und eisesklar
Im blassen Schein vom blauen Ampellicht. –

Was ließ sie alles auch so stumm geschehn.
Sie wird mir furchtbar, wenn so stumm sie liegt.
O wäre nur ein Tropfen Bluts zu sehn.
Was ist das, hat sie ihren Kopf gewiegt?

Ich will hier fort. – Er stürzt aus dem Gemach.
Der Nachtwind, der im Haar der Toten zischt,
Löst leis es auf. Es weht dem Winde nach,
Gleich schwarzer Flamme, die im Sturm verlischt.

- Georg Heym

 

Frau Leichnam

 

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