Folterdame  Fünf nach zwölf saß er in seinem Büro und wartete auf das Mädchen. Sie tritt ein in schwarzen Stiefeln. Und sie hat einen Schnupfen. Ausgefüllt jetzt jeder Laut. Satt, prall, jedes Wort. Was jetzt aus Ihrem Mund kommt, hat eine Trägheitsgewalt. Heute muß er sie also als Dame aushalten. Von den schwarzen Stiefeln über Edeljeans bis hinauf zu einer schwarzen, dünnen, offenen Wolljacke und einer rosa schimmernden Bluse. Über der Schulter das runde, unflätig weiche, tiefstrote Gehänge. 401F ist also eine Folterkammer. Deshalb haben sie ihn hier untergebracht, schicken ihm so oft wie möglich ihre Erste Folterdame herein, daß sie ihn einfach kreuz und quer zerbreche, bis er wieder zurückbleibe als ein elendes, atemloses, fast bewußtloses Bruchstück. Sie ist die Fortsetzung der Brandung. Aber sie tötet nicht, sie quält. Töten muß man sich selber. Oder sie. Er nahm Maß. Erwürgen. Das war das einzige, was er sich vorstellen, sich zutrauen konnte. Blut vergießen konnte er wohl nicht. Aber erwürgen. Sie hatte Hals genug, da konnte man beide Hände anbringen. Und dieses Weiche so zusammenzupressen, bis es immer fester und dann ganz hart wurde-, das konnte sogar mitempfunden werden. Er hat es nicht gewollt, aber er muß. Vor allem: die Bewegungen, die beim Erwürgen vorkommen, müssen nicht als so lächerlich empfunden werden wie alles, was der sexuellen Folgsamkeit direkter dient. Er stand endlich auf, gab ihr die Hand.  - Martin Walser, Brandung. Frankfurt am Main 1987

Folter Dame


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