lirt,
mißlungener Ich stellte meine Gäste einander vor; obwohl sie
seit Jahren in dem gleichen Hause wohnten, waren sie sich nie begegnet. Margit
war in den letzten Monaten ziemlich taub geworden. Aus irgendeinem Grunde konnte
sie ›Terkeltoyb‹ nicht aussprechen. Sie zupfte an ihrem Ohr, runzelte die Stirn
und sprach den Namen falsch aus. Gleichzeitig schrie sie in Terkeltoybs
Ohr, als ob er der Schwerhörige sei. Morris sprach Englisch, aber sie konnte
seinen Akzent nicht verstehen. Er versuchte es mit Deutsch. Margit Levy schüttelte
ihren Kopf und ließ ihn jedes Wort wiederholen. Wie ein strenger Lehrer verbesserte
sie seine Grammatik und Aussprache. Er hatte die Gewohnheit, Worte zu verschlucken,
und wenn er aufgeregt war, wurde seine Stimme schrill. Ohne seinen Kaffee
auszutrinken, stand er auf und ging zur Tür: »Wer ist das verrückte alte Weib?«
fragte er mich. Er schlug die Tür zu, als sei es meine Schuld, daß es ihm nicht
gelungen war, Eindruck auf Margit Levy zu machen.
Als er gegangen war, nannte Margit Levy ihn einen ungebildeten
Idioten, einen Grobian, sie, die sonst übertrieben höflich zu jedem war und
so weit ging, die Hunde und Katzen ihrer Nachbarn mit Komplimenten zu überhäufen.
Obgleich sie wußte, daß ich aus Polen kam, konnte sie ihre Wut nicht bezähmen
und sprach von ihm als ›einem polnischen Schlemihl‹.
Gleich darauf entschuldigte sie sich und versicherte mir, ich sei eine Ausnahme.
Auf ihren Backen erschienen Flecke, die so rot waren, daß sie durch das Rouge
hindurch sichtbar wurden. Den Kaffee, den ich ihr vorgesetzt hatte, ließ sie
stehen. An der Tür ergriff sie meine beiden Handgelenke, küßte mich und bat:
»Bitte, mein Lieber, lassen Sie mich diese Kreatur
nie wiedersehen.« Ich glaubte, sie weinen zu hören,
als sie die Treppe hinaufstieg. -
Isaac Bashevis Singer, Nachbarn. In: I.B.S., Der
Kabbalist
vom East Broadway.
München 1978 (zuerst 1972)
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