linte  So wie ich Ihren angenehmen Brief gelesen hatte, bekam ich eine gantz eigne Begierde, nemlich eine Abhandlung über die Frage zu schreiben, ob wohl ein Mensch des Morgends die Flinte eher ausziehen konte ehe er seine Hosen anzieht. Sie sehen aus dem Fall, der sich in Ihrer Gasse zugetragen hat, daß die Frage wichtig ist. Ich glaube, sie muß mit Ja beantwortet werden, denn da nicht leicht jemand ums Leben kommt, wenn man seine Hosen ausläßt, hingegen wenn die Flinte geladen bleibt, so etwas statt finden kan, zumal wenn Herr Burckenstein (so hieß der Mensch) willens war, sich wieder zu legen, und dem Vorwitz des Mädchens vielleicht vorbeugen wolle, die leicht an die Flinte hätte greifen können während als er da lag, so stund er auf und zog die Flinte aus, ohne die Beinkleider anzulegen; wäre das Mädchen auch hereingekommen, so hätte er ja die Flinte wenigstens in der Hand, er mögte nun schon mit dem Ausziehen fertig gewesen seyn oder nicht, und wo auch nun das Mädchen die Hand hingelegt hätte, so erhellt, daß keine Lebens Gefahr mehr statt gefunden hätte. Es ist also ein groses Uebergewicht von der Seite, die Herr Burckenstein gewählt hat, und es ist billig, daß ein Mensch, dem im Bette einfällt, daß er eine geladene Flinte in der Stube hängen habe, in einer Stadt nemlich, wo die Leute mehr aus Muthwillen zugreifen als aus der Absicht zu stehlen, oder kürtzer, mehr neugierige als räuberische Finger haben, so ist es seine Pflicht sogleich aufzustehen und ohne etwas anders zu thun besagte Flinte zu entladen, und alles andere Unglück das passiren könte, wenn er im Hemd dastünde, als null anzusehen. Da ich nunmehr die Sache, wie mich dünckt, juristisch gewendet und gedreht habe, daß ich selbst nicht mehr weiß wo ich bin, und die Wörter Flinte und Hosen wohl 6 mal geschrieben habe, so muß sie billig für entschieden geachtet werden.  - Lichtenberg an Joel Paul Kaltenhofer, nach (mehr)
 
 

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