leischfresser  Sowohl die Männchen als auch die Weibchen jagen und fressen Fleisch. In einem Zeitraum von acht Jahren, von 1974 bis 1981, wurden in vierundvierzig Fällen Weibchen beobachtet, wie sie Jagdwild oder mindestens Stücke davon erbeuteten bzw. stiebitzten und anschließend verzehrten, abgesehen von zweiundzwanzig anderen Beutetieren, die sie angriffen oder fingen, aber nicht festhalten konnten. Die Männchen jagten mehr als die Weibchen und konsumierten mehr Fleisch. Die Schimpansen teilen gelegentlich pflanzliche Nahrung mit anderen, Fleisch aber teilen sie immer, es sei denn, ein Schimpanse erlegt die Beute, während er allein den Urwald durchstreift.

Häufig ist die Teilung des Fleischs Ergebnis anhaltenden "Bettelns". Der Bettelnde streckt eine Hand aus und hält sie unter den Mund des Fleischbesitzers oder drückt die Lippen eines fleischkauenden Gefährten auseinander. Wenn das nicht verfängt, beginnt der Bettelnde unter Umständen zu wimmern und Wut und Enttäuschung zu äußern. Van Lawick-Goodall schildert den Koller, in den ein junger Schimpanse namens Mr. Worzle verfiel, als Goliath, ein ranghöheres Männchen, sich weigerte, ein getötetes Pavianjunges mit ihm zu teilen. Mr. Worzle folgte Goliath mit ausgestreckter Hand und winselnd von Ast zu Ast. "Als Goliath Mr. Worzles Hand zum elften Mal wegschob, warf sich das rangniedere Männchen ... nach hinten vom Ast herunter, brüllte und drosch wild auf das umliegende Laubwerk ein. Goliath betrachtete ihn, zerriß dann unter großer Anstrengung (indem er Hände, Zähne und einen Fuß zu Hilfe nahm) seine Beute und überreichte Worzle den ganzen hinteren Teil." - (mensch)

Fleischfresser (2)  Möchtest Du wirklich wissen, warum Pythagoras kein Fleisch essen wollte? Ich frage mich vielmehr, in welcher Lage und in welcher Gemüts- und Verstandesverfassung ein Mensch zum ersten Mal mit dem Mund das Mordblut berührte, mit seinen Lippen das Fleisch eines toten Wesens anfaßte, tote und abgestandene Körper auftischte und die Teile als Zukost und Nahrung bezeichnete, die kurz zuvor noch brüllten, Geräusche von sich gaben, sich bewegten und in die Welt schauten. Wie konnte sein Gesichtssinn den blutigen Anblick geschlachteter, gehäuteter und zerstückelter Wesen ertragen, wie konnte sein Geruchssinn den Gestank aushalten, wie war es möglich, daß die Besudelung seinen Geschmackssinn nicht davon abhielt, fremde Wunden zu berühren und Säfte und Flüssigkeiten aus todbringenden Verletzungen zu ziehen?

Die Häute krochen, das Fleisch an den Spießen brüllte,
das gekochte und das rohe zugleich, eine Stimme wie von Rindern war zu hören
(Odyssee XII 395f )

Diese Verse sind nur erdichtet, eine Erzählung, aber das geschilderte Mahl ist in der Tat grauenerregend, daß einer Hunger hat auf Tiere, die noch brüllen, daß er erklärt, welche von den Wesen verzehrt werden sollen, die doch noch leben und schreien, und befiehlt, wie sie zu würzen, zu kochen und aufzutragen seien. Man muß sein Augenmerk auf den richten, der mit diesen Dingen angefangen hat, nicht den, der lange nachher sich ihrer enthalten wollte.  - Plutarch, nach: Leben Töten Essen. Anthropologische Dimensionen. Hg. Heike Baranzke u.a. Stuttgart und Leipzig 2000

Fleischfresser (3) Der Zwischenfall ereignete sich eines Morgens, als Rodolf, Mr. McGregor, Humphrey und ein junges Männchen mit Bananen vollgestopft dasaßen und die Pavianhorde durch das Campgelände zog. Plötzlich stand Rodolf auf und ging, gefolgt von den drei anderen Schimpansen, rasch hinter eines der Gebäude. Bei allen drei Tieren beobachtete ich die gleiche Gangart - leise, zielbewußt, beinahe verstohlen -, die mir bei Figan aufgefallen war, als er sich der Palme genähert hatte, auf der der kleine Pavian saß, den er jagen wollte.

Ich folgte, aber ich war nicht schnell genug, um noch mitzuerleben, wie das Opfer gepackt wurde. Als ich um das Gebäude herumging, hörte ich plötzlich das Schreien eines Pavians und dann, wenige Sekunden später, das Gebrüll männlicher Paviane und das Schreien und Bellen von Schimpansen. Die letzten Meter legte ich im Laufschritt zurück und entdeckte hinter einem dichten Gebüsch Rodolf; er stand aufrecht, und über seinen Kopf schwang er den Körper eines jungen Pavians, den er an einem Bein festhielt und mit dem Schädel auf ein paar Steine schmetterte. Ich wußte nicht, ob dieser Aurprall dem Leben des Pavians ein Ende setzte: fest steht indes, daß das Opfer tot war, als Rodolf, seine Beute mit einer Hand haltend, den Hang hinaufstürmte.

Die anderen Schimpansen folgten ihm, immer noch schreiend, auf den Fersen, und auch ein paar ausgewachsene Pavianmännchen ließen nicht von Rodolf ab und fielen ihn immer wieder brüllend an. Zu meiner Überraschung aber gaben sie schon wenige Minuten später auf. Kurz darauf erschienen die vier Schimpansen wieder auf der Bildfläche und kletterten auf die Äste eines hohen Baumes, wo sich Rodolf niederließ und mit seiner Mahlzeit begann, indem er seine Zähne in das zarte Fleisch an Bauch und Lenden seiner Beute schlug.  - Jane Goodall, nach (lte)

Fleischfresser (4)  Auf den Anbau und Verbrauch der Mehlfrüchte gründet sich alles gesellige und gesittete Leben. Denn so lange, als ein Volk seine Nahrung aus dem Tierreiche gewinnt, sei es durch Jagd, Fischerei oder Viehtrift, wird es zu keinen festen Sitzen kommen, mithin nicht den Grad von Ausbildung seiner Fähigkeiten erlangen können, der durch ein ruhiges Leben bedingt wird. Einem wandernden Geschlecht ist es nicht vergönnt, die Erfahrungen vieler Geschlechtsalter in Gebäuden, Kunstwerken, Schriften aufzubewahren oder durch vielfältige Berührungen seine Ideen mehrseitig auszubilden. Dahingegen darf es von den Hirtenvölkern gerühmt werden, daß sie nicht selten gerade die tiefsten und höchsten Begriffe in ihrer ursprünglichen Reinheit bewahren.  - Karl Friedrich von Rumohr, Geist der Kochkunst. Frankfurt am Main 1978 (zuerst 1822)

Fleischfresser (5)  Auf einer Felsplatte, die über einen tiefen kleinen Teich hinausragte und sonst von dichtem Unterholz eingeschlossen war, lag — lang ausgestreckt — ein Knabe von etwa sechzehn Jahren, der seinen nassen, braungebrannten Körper von der Sonne trocknen ließ. Das ebenfalls feuchte Haar lag eng am Kopf an, und seine braunen Augen — die mit ihrem Glanz an die funkelnden Lichter eines Tigers erinnerten — blickten Van Cheele mit einer beinahe gespannten Trägheit entgegen. Dieser Anblick kam unerwartet, und Van Cheele war selbst überrascht, als er merkte, daß er zuerst dachte und dann erst sprach. Woher konnte dieser verwildert aussehende Junge nur gekommen sein? Der Frau des Müllers war zwar vor rund zwei Monaten eines ihrer Kinder abhanden gekommen — man nahm an, daß es in den Mühlbach gefallen und ertrunken sei; aber jenes Kind war ein Baby und kein halberwachsener Bursche gewesen.

«Was machst du da?» fragte Van Cheele. «Allem Anschein nach liege ich in der Sonne», erwiderte der Junge. «Wo wohnst du?» «Hier — im Wald.»

«Unmöglich, daß du im Wald wohnst», sagte Van Cheele.

«Es gibt sehr schöne Wälder», meinte der Junge dazu, und seine Stimme klang beinahe etwas gönnerhaft.

«Aber wo schläfst du nachts?» «Nachts schlafe ich nicht; nachts habe ich am meisten zu tun.»

Van Cheele hatte das unheimliche Gefühl, einem Problem gegenüberzustehen, das er nicht begriff. «Wovon lebst du?» fragte er.

«Von Fleisch», antwortete der Junge, und er legte in das Wort Fleisch eine Betonung, als ließe er es auf der Zunge zergehen.

«Von Fleisch? Was für Fleisch?»

«Wenn Sie es unbedingt wissen wollen: Kaninchen, Wildgeflügel, Hasen, Hausgeflügel, außerdem — je nach Jahreszeit — Lämmer und schließlich Kinder, wenn ich sie erwischen kann. Nachts — wenn ich jage — sind sie jedoch meist eingesperrt.  Zwei Monate ist es jetzt schon her, daß ich zum letztenmal Kinderfleisch gegessen habe.»

Ohne auf die neckische Bedeutung der letzten Bemerkung näher einzugehen, versuchte Van Cheele dem Jungen nachzuweisen, daß er ein Wilderer sei.

«Rede nicht so durch die Blume!» Nach der Art der Bekleidung des Jungen zu schließen, schien dieses Gleichnis nicht ganz angebracht zu sein. «Von Hasen willst du leben? So leicht sind sie nicht zu fangen.»

«Nachts jage ich auf vier Füßen»,  lautete die ziemlich geheimnisvolle Antwort.

«Du meinst, du gehst mit einem Hund auf die Jagd?» fragte Van Cheele auf gut Glück.

Der Junge rollte sich langsam auf den Rücken und lachte dabei leise und unheimlich, so daß es einerseits wie ein Kichern, andererseits jedoch wie ein widerwärtiges Knurren klang. «Ich glaube, kein Hund würde gern in meiner Nähe sein — und besonders nachts!» - Saki, Gabriel-Ernest. In: Saki, Die Verschwiegenheit der Lady Anne. Stuttgart 1983. Bibliothek von Babel 23, Hg. J. L. Borges

Fleischfresser (6)
Ernährungsverhalten Fleisch
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