Fleischerhacke    im Moment hat der Brenner gespürt, wie hinter seinem Rücken die Stahltür aufgegangen ist.

Der alte Löschenkohl hat den eleganten weinroten Pyjama angehabt, den ihm seine Schwiegertochter zum fünfundsechzigsten Geburtstag geschenkt hat. Er ist nur ein, zwei Schritte auf den Brenner zugegangen und hat ihn gefragt, was er hier sucht. Aber der Brenner hat kein Wort herausgebracht. Vielleicht kennst du diese Fleischerhacken, mit denen berührst du eine Sau nur, und sie zerfällt schon in zwei Teile. Und der alte Löschenkohl hat jetzt versucht, den Brenner ein bißchen mit seiner Fleischerhacke zu berühren.

Und wie soll ich sagen — es ist ihm gelungen. Der Brenner ist zwar so flink zur Seite gehüpft, daß ich sagen muß, mit 45 Jahren eine Leistung. Aber wenn du heute vor der Wahl stehst: Kopf ab oder einen flinken Sprung, dann machst du den flinken Sprung, 45 Jahre hin oder her.

Aber du machst ihn vielleicht doch nicht mehr so flink wie ein Junger. Und das wird es gewesen sein, wieso der Brenner seine linke Hand nicht schnell genug nachgezogen hat. Jetzt ist die Hacke ausgerechnet dort auf die Fleischbank niedergesaust, wo sich der Brenner für seinen lebensrettenden Sprung mit der linken Hand abgestützt hat. Muß man noch von Glück reden, daß ihm der Alte nur den kleinen Finger abgehackt hat.

Weh hat es nicht getan, aber natürlich trotzdem kein Vergnügen. Und noch dazu ist der Brenner jetzt im Eck gestanden. Und das sagt man so leicht, jemand steht im Eck, bildlich, aber wenn du dann wirklich in einem Eck stehst, ist noch einmal was anderes. Zwischen der Tür und dem Brenner ist der Alte mit seiner Fleischerhacke gestanden. Und ,die kleine Fensterluke in zwei Meter Hohe. Der Brenner ist zwar über zwanzig Jahre jünger als der alte Löschenkohl gewesen. Aber natürlich, mit so einer Fleischerhacke in der Hand sind die Jahre wieder relativ.

Und der Alte hat die Fleischerhacke schon wieder über dem Kopf gehabt. In dem Augenblick ist dem Brennte /um zweiten Mal an diesem Morgen aufgefallen, wie unerträglich laut die Vögel draußen gesungen haben.

Weil wenn du heute mit deinem Leben abschließt, dann fallen dir diese unwichtigen Details auf. Und während die Fleischerhacke in Richtung seines Quadratschädels gesaust ist, hat er ganz genau den Guten-Morgen-Gesang von Bachstelze, Kleiber und Grasmücke unterschieden. Weil der Brenner hat in der Volksschule in Puntigam einen Lehrer gehabt, der hat ihnen beigebracht, die verschiedenen Vogelgesänge zu unterscheiden, das ist dem Brenner jetzt wieder eingefallen, während der alte Löschenkohl die Fleischerhacke auf ihn hinuntergedroschen hat.

Aber einmal hat sich der Brenner noch auf die Seite geworfen, obwohl man sagen muß, was hat das für einen Sinn, ob er dich jet2t beim zweiten oder dritten Versuch spaltet, macht keinen großen Unterschied. Aber in so einem Moment regiert natürlich der Instinkt.

Die Hacke ist so tief in die Fleischbank hineingesaust, daß der Alte sie fast nicht mehr herausgebracht hat. Im nachhinein kann man leicht sagen, diese zwei Sekunden, bis der Alte die Hacke aus der Fleischbank herausbringt, das wäre dem Brenner seine Chance gewesen, da hätte er ihn überwältigen müssen. Aber wenn du heute mit nur mehr neun Fingern in einer Kühlkammer Hegst, dann sieht die Sache schon wieder anders aus. Nur so kann ich es mir erklären, daß der Brenner auf seiner Fleischbank liegen geblieben ist und an etwas ganz anderes gedacht hat.  - Wolf Haas, Der Knochenmann. Reinbek bei Hamburg 2014

Fleischer Hacken

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