Flambieren   Agnes war jene Schüchterne, die es in jedem Haus für ängstliche und nervöse Kunden gibt. Bei ihr hatte es immer den Anschein, als wäre sie das erste Mal mit einem Mann beisammen. Sie konnte sich einrollen, so als hätte sie Angst und wolle sich vor der ganzen Welt verstecken. Agnes hatte wahrscheinlich einen kleinen Klopfer. Sie stammte aus Tampa, die Eltern waren armes weißes Pack. Sie hatte schon als Zwölfjährige für Obstpflücker und Garnelenfänger die Beine spreizen müssen. Die meiste Zeit war sie ruhig, aber plötzlich drehte sie durch, begann wegen einer Kleinigkeit zu kreischen und zu schreien, wegen einem zerbrochenen Schuhknopf, oder weil jemand ihre Lieblingskaffeetasse benutzt hatte. Manchmal schmollte sie auch, steckte die Finger in den Mund und lutschte daran. Ich behielt sie, weil sie gut fürs Geschäft und die Kunden war, die sich gern einem Mädchen überlegen fühlten. Für Agnes war jeder Fick eine Vergewaltigung.

Frank quälte Agnes weiterhin, prügelte sie zu Boden und verlangte ausgefallene Dinge von ihr, wenn er merkte, daß er keinen Ständer zustande brachte. In jener bewußten Nacht hatte er eine Flasche Brandy aufs Zimmer mitgenommen, ein tödliches Getränk für ihn, und natürlich soff er, bis ihm der Brandy aus den Augen rann. Er verkündete, daß er nur dann richtig in Stimmung käme, wenn Agnes ihr Schamhaar anzündete. Fotze flambiert, nannte er es. Agnes begann zu schreien, und Frank stieß sie in eine Ecke und begann mit der Brandyflasche auf sie einzuschlagen. Die Flasche zerbrach, und Frank schlitzte Agnes die rechte Wange auf.

Agnes suchte irgend etwas, womit sie sich verteidigen konnte. Auf ihrem Nachttischdien lag eine Schere, und die -geriet ihr in die Finger. Das Gesicht blutverschmiert, holte sie aus, während Frank im Begriff war, ihr mit dem abgebrochenen Flaschenhals den Schädel einzudreschen. Ohne recht zu sehen, wohin sie zielte, stieß sie ihm die Schere ins rechte Auge. So erzählte sie es nachher, und ich glaubte ihr.

Die dünne, scharfe Scherenspitze war mit aller Kraft vorangetrieben worden und hatte Frank anscheinend auf der Stelle getötet, als sie ihm ins Gehirn drang. Er fiel einfach um, nur noch der Scherengriff ragte aus seiner Augenhöhle. Als Agnes zu kreischen begann, rannte ich aus dem Salon nach oben und fand sie in ihrem Zimmer. Sie war nackt und blutete wie ein gestochenes Schwein. Frank lag in Unterhosen auf dem Teppich, die Schere im Kopf. Der ganze Raum stank nach verschüttetem Brandy.  - Nell Kimball, Madame - Meine Mädchen, meine Häuser. Hg. Stephen Longstreet. Frankfurt am Main, Wien und Berlin 1982 (entst. ca. 1917-1932) 

 

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