ischer
Einer ging an den See des Lebens, um nach Menschen zu angeln; aber
er fing nichts. Da kam ein Unbekannter und sagte: Wenn du Menschen fischen
willst, so mußt du dein Herz an die Angel stecken,
dann beißen sie an! Jener folgte dem Rat, und sogleich schnappten sie unten
nach dem Köder, rissen ihn von der Angel und fuhren damit in die Tiefe.
Da war der Fischer betrübt. Allein bald wurde es ihm so leicht zu Mut,
daß er auf die wilde See hinausfuhr und die Menschenfische zu Tausenden
mit dem Netze fing, und er war nun ihr Herr und schlug sie auf die Köpfe.
Und der ihm den Rat gegeben hatte, war der Teufel.
- Gottfried Keller
Fischer (2) Was mich angeht, so würde ich, wenn
ich von der Hand zu leben hätte, wohl als Fischer guter Laune sein, und
es schien mir nicht zufällig, als ich neulich erfuhr, daß mütterliche Voreltern
von uns am Ammersee in solchem Stande gelebt haben. Es gibt in diesem Berufe
vieles, was meinen Neigungen und meinem Temperament entspricht, wie die
stille Beobachtung verborgener Vorgänge. Gut ist auch die Ökonomie; bei
bescheidenem und oft gefährdetem Leben verliert man doch nie die Anwartschaft
auf den Überfluß. Im Märchen tritt der Fischer zugleich als der arme Mann
und das Glückskind auf, und in die Geschichte spielt er zwar dunkel, aber
bedeutend ein. Da er Sinn für das Wunderbare besitzt, kehren auch Wundermänner
bei ihm ein, die sonst niemand bei Lebzeiten erkennt, und fühlen sich in
seiner Gesellschaft wohl. So färbt wiederum sein Lebensstil, die unbekümmerte
Gebärde des Menschen, der sein Netz ins Ungewisse wirft und auf den Überfluß
der Welt vertraut, auf den ihren ab. - Ernst Jünger, Myrdun.
Briefe aus Norwegen (31. Juli 1935). München 1980 (dtv bibliothek
kubin, zuerst 1943)