Man weiß, diese Völker sind weniger mutig als die Fleischesser, und daß sie blaß sind, ist nicht erstaunlich, denn nach seinen Elementen muß der Fisch eher die Lymphen vermehren als das Blut wieder ersetzen. Ferner hat man bei fischessenden Völkern viele Beispiele langen Lebens beobachtet, sei es, weil eine so leichte, wenig substantielle Nahrung sie vor den Schädigungen der Vollblütigkeit bewahrt, oder weil ihre Säfte, von Natur gerade zur Bildung rasch vergänglicher Gräten und Knorpel bestimmt, beim Menschen die Verknöcherung der Teile um einige Jahre hinziehen, durch die ja zuletzt das natürliche Ende eintritt. Die analytische Gastronomie hat zu erforschen versucht, welches, in der organischen Okonomie, die Wirkungen der Fischnahrung sind, und übereinstimmend hat man gefunden, daß sie lebhaft auf den Zeugungstrieb einwirkt und bei beiden Geschlechtern die Instinkte der Fortpflanzung weckt. Kaum hatte man diese Wirkung erkannt, so fand man gleich zwei Ursachen von so unmittelbarer Schlagkraft, daß sie jeder mann einleuchteten, nämlich 1) verschiedene Formen der Zubereitung, bei denen die Würze offenbar irritierend wirkte - Kaviar, Hering, marinierter Thunfisch, Dorsch, Stockfisch und andere - 2) verschiedene Säfte des Fisches, die eminent entzündlich sind und durch die Verdauung oxydieren und ranzig werden.
Eine tiefere Analyse hat noch eine dritte, viel wichtigere Ursache aufgedeckt, nämlich den Phosphor, der sich in der Fischmilch ganz entwickelt findet und in der Zersetzung deutlich auftritt.
Diese physikalischen Wahrheiten waren jenen Kirchenvätern offenbar unbekannt,
die verschiedenen Mönchsorden eine vierzigtägige Fastenzeit auferlegten,
den Karthäusern, den Franziskanern, den Trappisten und den Karmelitern:
denn man darf nicht annehmen, daß diese Gesetzgeber den Zweck verfolgten,
die Observanz der Keuschheit denen noch zu er schweren, die ein so sehr
antisoziales Gelübde abgelegt. Gewiß sind, wie die Dinge lagen, glänzende
Siege gewonnen, sind sehr rebellische Sinne unterworfen worden - aber daneben:
welche Niederlagen, welche Rückfälle! Solche müssen wohl bekannt geworden
sein - bis sie schließlich einem dieser Orden einen
Ruf verschafften, wie ihn etwa Herkules bei den
Töchtern des Danaos genoß oder der Maréchal de Saxe bei Mademoiselle Lecouvreur.
-
(bri)
Fischesser (2) Die Ichthyophagen Ihre
Körper waren zottig, die Nägel unbeschnitten, so daß sie mit ihnen Fische
fangen und spießen konnten. Zur Kleidung diente ihnen wohl die Haut eines
großen Fisches; meist waren sie nackend, Mann und Weib; die Vermischung
wie bei den Tieren des Waldes, jedes Weib für jeden Mann gemeinschaftlich
Einzelne Haufen lebten in Buchten, deren Rücken und Seiten durch senkrechte
Felswände unzugänglich waren. Die Vorderseite schloß das offene Meer. Beim
Werden der Dinge muß die Natur sie als Erdentsprossene an dieser Stelle
haben entstehen lassen. Geheimnisvoll. - Hier saßen sie, ohne irgend ein
Werkzeug zu ihrer Selbsterhaltung oder Bequemlichkeit zu haben, und warteten
kummerlos auf das Geschenk der Natur, mit der einzigen Anstrengung, daß
sie vor die engen Eingänge der Vertiefungen an der Küste Steinreihen legten.
Die täglich zweimal erscheinende Flut füllte die Becken, und ließ beim
Abflusse durch die Steine Fische und Seegetier stummer Art zurück. Nun
eilte der freudige Haufe zur Beute; warf die kleineren Fische zur Seite
auf eine Felsplatte in die Sonne; gegen die großen kämpften sie mit Steinen
und schweren Fischknochen. Nach einiger Zeit wurden die halbgaren Fische
auf den Steinen umgewandt, endlich beim Schwanze genommen und geschüttelt;
das mürbe Fleisch fiel ab, wurde auf dem glatten Gestein mit den zerstoßenen
Muscheln, Quallen, zu einem Teig durchgeknetet, und gemeinschaftlich ohne
alle Teilung verzehrt jeder holte sich von der Masse, so viel er zu essen
imstande war. Vier Tage währte gewöhnlich die Schmauserei; erst am fünften
kam ihnen das Bedürfnis zu trinken. Mühsam in Gemeinschaft klomm der ganze
Haufe in den Klüften und suchte nach Vertiefungen im Gestein, wo etwa ein
Niederschlag sich finden mochte. Auf alle Viere hingestreckt schlürfte
nun jedermann, so viel der Körper zu fassen vermochte. Schwerfällig machte
sich die Horde auf den Rückweg, verdünstete, einen Tag lang liegend, die
übermäßige Wassermasse: dann begann abermals der Fischschmaus; und so verging
ihnen die Lebenszeit ohne irgend ein weiteres Geschäft ohne Sorge und Teilnahme
für alle menschlichen Angelegenheiten. - Arno Schmidt, Alexander
oder Was ist Wahrheit (zuerst 1949)
Fischesser (3) Daß die Fischesser (Ichthyophagi)
sich nicht anders als Seetiere schwimmend im Meere wohlbefinden, versichert
Solinus. Dies aber gehört zur Lebenstüchtigkeit (ad virtutem spectat)
und tut der Menschlichkeit keinen Abbruch, sondern bereichert sie. Denn
schon die Alten haben die Schwimmkunst gepriesen, dergestalt daß sie das
Sprichwort prägten, um einen untüchtigen Menschen zu kennzeichnen: Er hat
weder schwimmen noch denken gelernt (Neque natare, neque literas didicit).
So beherrschte auch Caesar, der keinem
Menschen in irgendeiner Fähigkeit nachstand, die Kunst des Schwimmens hervorragend,
da er ja am afrikanischen Gestade nicht weit von Alexandria eine nicht
unbeträchtliche Meeresstrecke kühn durchschwamm, wobei ihn Bekleidung und
Mantel nicht im geringsten hinderten, als er sich aus dem Kahn ins Wasser
stürzte, in der linken Hand seine Commentarien trug und mit der rechten
schwamm; den Mantel mit dem Munde festhaltend, gelangte er zu seinen Dreiruderern
und entging so dem überraschenden Angriff der Ägypter. Das bezeugt uns
Sueton. - Klaus J. Heinisch, Der Wassermensch. Stuttgart
1981 (Klett-Cotta)
Fischesser (4) Roher Fisch! Werde ich jemals mein
Gefühl vergessen, als ich zum erstenmal sah, wie meine Inselschöne einen
verschlang? O Himmel! Fayaway, wie bist du je zu einer so gräßlichen Gewohnheit
gekommen? Als ich dann aber den ersten Schrecken überwunden hatte, wurde
mir der Brauch in meinen Augen weniger widerlich, und bald gewöhnte ich
mich an den Anblick. Es soll sich auch niemand einbilden, die liebreizende
Fayaway hätte große, ordinär aussehende Fische verschlungen. O nein! Mit
ihrer hübschen kleinen Hand ergriff sie ein zartes,
goldfarbenes, allerliebstes Fischlein und aß es so zierlich und unschuldig,
als sei es ein neapolitanisches Bisquit. Aber ach, letzten Endes war es
doch ein roher Fisch, und alles, was ich dazu sagen kann, ist, daß Fayaway
ihn auf damenhaftere Weise aß als die übrigen Mädchen des Tales. -
Herman Melville, Typee. Ein Blick in das polynesische Leben... München
1979 (zuerst 1846)
Fischesser (5) Er habe Gänsehaut bekommen, sagte er, wenn er sah, wie gierig die Schweine lebende Schlangen fraßen. Doch lebende Fische, sagte er, hätten sie auch gefressen, gerade so wie Bären. Mit dem Unterschied, daß die Spitzrückenschweine den ganzen Fisch fraßen, mit Kopf und allem, während die Bären lediglich den Bauch herausbissen. Er schwor, er hätte gesehen, wie die Spitzrückenschweine wie Pelikane in den stinkenden, seichten Sümpfen nach Fischen tauchten. Er habe in Okefenokee in Florida jede Menge Pelikane fischen sehen, doch die Spitzrückenschweine auf der Harrison-Farm seien viel besser im Fischen gewesen als die Pelikane.
Die Schweine hätten ihre Köpfe in das schleimige Wasser gesteckt und seien
nie ohne einen Fisch, einen Aal oder eine Schlange wieder
aufgetaucht. Hoop sagte, schon als Kind habe er gesehen, wie Schweine Schlangen
fraßen, doch daß Schweine lebende Fische fraßen, habe er dort zum erstenmal
gesehen. - Chester Himes, Plan B. Berlin 1994 (Alexander Verlag, zuerst 1993)
Fischesser (6)
"Die großen Fische fressen die kleinen"
- Pieter Brueghel d.Ä. (1557)
Fischesser (7) Ob seiner außergewöhnlichen Belesenheit
erhielt er den ehrenvollen Namen eines »Philosophen«,
den er bis zu seinem Ende trug. Dennoch hielt er sich an einen anderen Weg und
an den Matrosenglauben, daß das Fleisch der weisen Fische schädlich ist, dazu
zäher als das Fleisch der dummen. So essen nur die Dummen dumme und weise, die
Weisen dagegem probieren und verlangen dumme Fische. - (
pav
)
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