ilmstar  Als ich ihn zum Thema befragte, welche Aussichten eine begabte junge Frau denn habe, Filmstar zu werden, erklärte D. W. Griffith: »Die Frau, die zu alt dazu wäre, gibt es gar nicht. Diese Vorstellung — ›zu alt‹ — muß sie aus ihrem Kopf verbannen. Eine Frau kann gar nicht genug Erfahrungen haben. Sie darf keine Angst davor haben zu leben, und zwar gefährlich zu leben, denn das wirkt sich im Film alles zu ihren Gunsten aus. Da gibt es absolut keine Altersgrenze. Dazu braucht es nichts weiter als einen Agenten, einen eisernen Willen, etwas Erfahrung und eine gewisse Kenntnis, was die Anforderungen der Leinwand betrifft.

Ohne Kampf geht es nicht. Ohne Verzweiflung geht es nicht — wenn man das aber alles durchsteht, was durchgestanden werden muß, ohne törichte Erwartungen, sondern mit kluger Zielstrebigkeit, dann gibt es keinen Grund, weshalb sie ihr Ziel nicht erreichen sollte.

Trotzdem kann natürlich nicht jedes Mädchen eine neue Gish sein. Die Gish-Mädchen kamen zum Theater, als sie noch in den Windeln steckten. Das war ihr wichtigster Pluspunkt. Sie waren bereits mit allen Wassern gewaschen, ehe junge Mädchen normalerweise überhaupt an ihre Karriere zu denken beginnen. Mittlerweile sind sie berühmt und reich und dabei noch jung genug, um davon etwas zu haben.

Eine große Frau hat geringere Chancen als eine kleine. Das Publikum — jedenfalls der männliche Teil — sieht sich gern selbst als Beschützer einer kleinen Frau; das ist einfacher. Und das Publikum — das betrifft jetzt den weiblichen Teil — sieht sich bei der Umarmung der Liebenden gern bis an die Brust reichen und nicht höher hinauf. Das sieht besser aus, da gibt es keinen Zweifel.

Es ist nicht leicht zu sagen, was eine mitbringen muß. Der Geschmack der Saison ändert sich, wie die Blätter vom Baum fallen. Im Augenblick ist die Babypuppe mit dem Lockenkopf gefragt, im nächsten ist es der Vamp mit dem berechnenden Blick. Im Augenblick haben die Leute gerade sowohl die Babypuppe als auch den Vamp etwas über. Sie wollen weder jugendliche Einfalt noch die schlau eingesetzte Erfahrung. Mit mehr Interesse schauen sie sich eine Frau an, die noch schön ist, dabei aber klug, weltgewandt, und sich von ihrer Erfahrung leiten läßt.

Was die Männer angeht, so waren erst die Zureiter gefragt, dann die berittene Polizei, dann der Mann vom Typ Seidener-Morgenrock-und-lange-Zigarettenspitze. Das ist der neueste Stand — was wird als nächstes dran sein? Niemand weiß das. - D. W. Griffith, nach (barn)

Filmstar (2)  Unter einer Tür hindurch drang Licht auf den Treppenabsatz. Diese Tür war genausowenig verschlossen wie die, durch die wir bereits gekommen waren. Dahinter befand sich ein hübsches Zimmer. Komfortabel bis luxuriös. Ein Bücherregal beherrschte eine Wand. Das oberste Fach war vollgestellt mit Filmpreisen. Auf einem Tischchen stand ein Telefon. Eine Wanduhr tickte vornehm. Zwei dicke Bücher mit Ledereinband lagen auf dem Teppich, wie müde hingeworfen. Wie ich später feststellte, war das erste die gebundene Sammlung einer alten Filmrevue. Das andere enthielt unzählige Zeitungsausschnitte, die den Filmstar auf der Höhe seiner Karriere besangen. Links und rechts neben dem Regal hing je ein Bild von Lucie Ponceau, signiert von berühmter Hand. Hier und da bemerkte ich hinter Glas Fotos der Schauspielerin, alle aus ruhmvoller Zeit, alleine oder im Kreise von Kollegen.

Die Schauspielerin selbst lag auf dem Bett, die Augen geschlossen. Das Licht einer eleganten Nachttischlampe fiel auf ihr Gesicht. Eine alte Frau, älter als es in ihrem Ausweis stand, viel älter als die Frau, die ich eben vor einer Viertelstunde auf der Leinwand gesehen hatte. Sie trug einen Seidenpyjama mit altmodischem Muster. Ihre gefärbten Haare lagen unordentlich um ihr hageres, kränkliches Gesicht.

„Großer Gott!" brachte Marc Covet mühsam hervor. Seine Finger umklammerten Block und Stift.

„Sie ist nicht tot", beruhigte ich ihn.

Aber lebendig war sie auch nicht mehr so richtig. Ihr Puls war nicht zu fühlen. Sie atmete schwach, aber abgehackt, so als wollte sie sich beeilen. Und das mußte sie auch. Viel Zeit blieb ihr nicht mehr.  - Léo Malet, Corrida auf den Champs-Élysées. Reinbek bei Hamburg  1990  (zuerst 1982)

Filmstar (3)  Sie hatte in den Zwanzigern ein erfolgreiches Jahr gehabt und war dann schnell hinabgerutscht in die Kinogewölbe. Ihr Regisseur hatte sie, wie vergilbtes Zeitungspapier erzählte, mit dem Studiofriseur im Bett erwischt und ihr mit einem Messer die Wadenmuskeln durchtrennt, damit sie nicht länger so laufen konnte, wie er es liebte. Dann war er geflohen, war einfach geradeaus nach Westen, in Richtung China geschwommen. Constance Rattigan hatte sich nie mehr gezeigt. Ob sie laufen konnte, wußte niemand.   - Ray Bradbury, Der Tod ist ein einsames Geschäft. Zürich 1989
 

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