igur,
komische
ALCESTE : ... Denn ohne Rücksicht nehm ichs auf mit jedermann.
Die
Wunde sitzt zu tief. Wo ich auch hinschau - alle,
Höflinge, Bürger, Fraun,
sie reizen meine Galle.
Je länger ich ringsum das Treiben mir betrachte,
Je mehr wird mir bewußt, wie tief ich es verachte.
Unwürdige Kriecherei,
Verleumdung, Eigennutz,
Rechtlosigkeit, Verrat und jede Art von Schmutz
-
Wahrhaftig, diese Qual ist kaum noch zu ertragen!
Der ganzen
Menschheit drängts mich Fehde anzusagen !
PHILINTE Ihr philosophischer Zorn glüht, dünkt mich, doch zu
heiß.
verzeihn Sie, wenn dazu ich nur zu lächeln weiß.
Wir beide, Sie
und ich, erinnern mich doch sehr
An jenes Brüderpaar im Lustspiel von
Möllere, Der »Männerschule«, die. ..
ALCESTE : Mit albernen Vergleichen Verschonen Sie mich, Herr!
PHILINTE: Ich will vor dummen Streichen
Sie warnen, lieber Freund. Sehn Sie doch endlich klar!
Sie mühn sich
ganz umsonst. Die Welt bleibt, wie sie war,
Wird nicht gebessert durch Ihr
überhitztes Predigen,
Durch das zu guter Letzt Sie sich nur selber schädigen.
In Ihrem wilden Kampf mit Lüg und Unnatur
Betrachtet man Sie schon als
komische Figur.
ALCESTE: Das ist mir grade recht! Das wollt ich ja erreichen!
-Das freut mich, denn ich seh darin ein gutes Zeichen!
Ich
würde irr an mir, vor Schand müßt ich vergehn,
Würd ich von diesem Pack
als Weiser angesehn,
PHILINTE: So hassen alles Sie, was Menschenantlitz trägt?
ALCESTE: Haß ist das einzige, was noch mein Herz bewegt.
PHILINTE: Und dieser Haß, der so verdüstert Ihr Gemüt,
Gilt allen Sterblichen
ganz ohne Unterschied?
Gewiß, die Zeit ist bös, sehr bös, jedoch ich meine.
..
ALCESTE; Nein, allen gilt mein Haß! Ausnahmen kenn ich keine:
Die einen
haß ich, weil sie Böses tun und denken,
Die andern, weil sie sich von jenen
lassen lenken,
Und, feige Schwächlinge, sich nicht entschließen können,
Wie's edlen Herzen ziemt, das Schlechte schlecht zu nennen.
Wie jämmerlich
sie sind, zeigt Ihnen zur Genüge
Der Schuft, mit welchem ich zur Zeit im
Rechtsstreit liege.
Die glatte Larve trägt er ganz umsonst zur Schau,
Denn
was dahinter steckt, weiß jeder ganz genau.
Der Augenaufschlag und der zuckersüße
Ton
Täuscht den Provinzler nur, hier kennt man den Patron!
Durch was
für Schmutzerein er in die Höhe kam,
Weiß jedes Kind bei uns. Erröten muß
vor Scham
Die Tugend, das Verdienst blaß vor Empörung werden,
Sehn Sie
den Lump sich jetzt als großen Herrn gebärden!
Wohl mag man über ihn ganz
gern den Schnabel wetzen,
Und keiner fand den Mut, sich für ihn einzusetzen:
Du nennst ihn Schwindler, Schuft, Verleumder, Bösewicht,
Ein jeder stimmt
dir zu und niemand widerspricht, -
Doch seine Fratze siehst du trotzdem allerorten.
Man lacht ihn freundlich an, grüßt ihn mit warmen Worten,
Und gehts
um Rang und Amt, Würden und Ehrenzeichen,
Muß auch der Tüchtigste dem frechen
Kriecher weichen.
Das ists, was Tag für Tag mir neue Wunden schlägt:
Daß
man leichtfertig mit dem Laster sich verträgt -
Und fliehen möcht ich in
entlegne Wüstenein,
Der Lüge zu entgehn, mit Menschen nicht zu sein.
- Molière, Der Maenschenfeind. In: Molière, Werke.
Wiesbaden 1954
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