etisch   Die Warenform und das Wertverhältnis der Arbeitsprodukte, worin sie sich darstellt, hat mit ihrer physikalischen Natur und der daraus entspringenden dinglichen Beziehung absolut nichts zu schaffen. Es ist nur das bestimmte gesellschaftliche Verhältnis der Menschen selbst, welches hier für sie die phantasmagorische Form eines Verhältnisses von Dingen annimmt.

Um daher eine Analogie zu finden, müssen wir in die Nebelregionen der religiösen Welt flüchten. Hier scheinen die Probleme des menschlichen Kopfes mit eigenem Leben begabte, untereinander und mit den Menschen in Verhältnis stehende selbständige Gestalten. So in der Warenwelt die Produkte der menschlichen Hand. Dies nenne ich Fetischismus, der den Arbeitsprodukten anklebt, sobald sie als Waren produziert werden, und der daher von der Warenproduktion unzertrennlich ist. - Karl Marx, nach (bar)

Fetisch (2) Dieses Buch wurde in der Buchdruckerei Greno in Nördlingen von Helmut Benninger, Walter Beutel, Heinrich Buser, Andreas Krazius und Helmut Popp aus der Borgis Bembo Bold Monotype gesetzt, in Blei gegossen, korrigiert und umbrochen — gedruckt in tiefem Moosgrün und rötlichem Gold von Walter Görner auf einer Condor-Schnellpresse. Das holz- und säurefreie mattgeglättete 80 g/qm Bücherpapier stammt aus der Papierfabrik Niefern. Den Einband besorgte die Buchbinderei G. Lachenmaier in Reutlingen.

1. bis 9. Tausend, April 1993. Einmalige, limitierte Ausgabe im Buchdruck vom Bleisatz.

ISBN 3-8218-4100-1. Printed in Germany.  - Impressum zu: Wolfram von Eschenbach, Parzival. Frankfurt am Main 1993 (zuerst ca. 1200, Übs. Peter Knecht. Die Andere Bibliothek 100)

Fetisch (3)   Quoin, einer der Konstabelmaate, hatte Augen wie ein Frettchen. Quoin war ein alter Kriegsschiffsmann, keine fünf Fuß groß, mit einem Gesicht wie eine vernarbte Schußverletzung. Er war unermüdlich in der Ausübung seiner Pflichten, die in der Aufsicht über eine Abteilung von zehn Geschützen der oben erwähnten Vierundzwanzigpfünder bestand. In regelmäßigen Abständen gegen die Bordwand des Schiffes aufgereiht, glichen sie nicht wenig einem Gestüt von Schlachtrossen in ihrem Stall. In diesem eisernen Gestüt lief der kleine Quoin dauernd umher, striegelte sie hin und wieder mit einem alten Lappen oder hielt ihnen mit einem Wedel die Fliegen ab. Für Quoin schien die Ehre und Würde der Vereinigten Staaten von Amerika unlöslich davon abzuhängen, daß er seine Kanonen sauber und glänzend hielt. Dadurch, daß er sie dauernd pflegte und sie mit schwarzer Farbe abrieb, war er selbst schwarz wie ein Schornsteinfegermeister. Bisweilen stieg er aus den Stückpforten hinaus und schaute ihnen in die Mündungen wie ein Affe in eine Flasche. Oder wie ein Zahnarzt schien er ihre Zähne untersuchen zu wollen. Ebensooft reinigte er ihre Zündlöcher mit einem kleinen Wergwisch, so wie ein chinesischer Barbier in Kanton einem Kunden die Ohren reinigt.

So groß war seine Gewissenhaftigkeit, und es war tausendfach schade, daß er sich nicht in einen Zwerg verwandeln und in die Zündlöcher hineinschlüpfen konnte, um das ganze Innere des Rohres nachzuprüfen und schließlich an der Mündung wieder herauszukriechen. Quoin schwor bei seinen Kanonen und schlief neben ihnen. Wehe dem Mann, den er dabei erwischte, daß er sich dagegenlehnte oder sie beschmutzte! Er schien von der verrückten Vorstellung besessen, seine vierundzwanzigpfündigen Lieblinge seien zerbrechlich und könnten wie gläserne Retorten in Stücke gehen. - (weiss)

Fetisch (4) »Dort«, sagte der Dämon, »sehe ich in den Armen des Schlafs einen Mann, den ich sehr gern habe und der auch mir zugetan ist; ein Herrchen ganz nach meinem Herzen. Es ist ein alter Bakkalaureus, und der Gott, den er anbetet, ist das schöne Geschlecht. Sobald Ihr ihm von einer hübschen Dame erzählt, könnt Ihr Freude und Wohlgefallen aus seinen Augen leuchten sehen. Sagt Ihr ihm, sie habe einen zartgeschnittenen Mund, rosenrote Lippen, Zähne von Elfenbein und eine Haut wie Alabaster; kurz, malt Ihr ihm die Schöne Zug für Zug, dann seufzt er bei jedem Zuge, verdreht die Augen, die Wollust treibt ihm das Blut schneller durch die Adern. Vor zwei Tagen kam er in der Alcalastraße am Laden eines Frauenschusters vorbei. Auf einmal blieb er stehen, um einen kleinen Pantoffel zu betrachten, der ihm in die Augen stach. ›Ach!‹ sagte er, nachdem er ihn mit überflüssiger Aufmerksamkeit lange beschaut hatte, mit schmachtendem Tone zu einem Herrn, der bei ihm stand: ›Ach, mein Freund, dieser allerliebste Pantoffel beflügelt meine Phantasie! Laßt uns geschwind weitergehen, dieser Anblick macht mich ganz wollüstig. Eine gefährliche Straße das!‹« - Alain René Lesage, Der Hinkende Teufel. Nördlingen 1987 (Greno 10/20, zuerst 1707)

Fetisch (5)  Wenn es zutrifft, daß V. hinter ihrem Fetischismus eine Spur der Verschwörung gegen die beseelte Welt vermutete, eine unvermittelt entstandene Organisation des Reichs des Toten, dann mag dies die im »Rusty Spoon« oft gehörte Ansicht bekräftigen, daß Stencil in ihr seine eigene Identität suchte. Doch sie war davon so hingerissen, daß Melanie ihre Identität im seelenlosen Spiegelbild gesucht und gefunden hatte, daß sie, von der Liebe aus dem Geleise geworfen, auch weiterhin nicht darüber nachdachte; daß sie sogar vergaß, daß hier, zwischen Sofa, Bett und Spiegeln, kein Stundenplan mehr galt, daß ihre Liebe eigentlich nichts anderes war als eine Abart des Tourismus; denn wie die Touristen in eine Welt, die sich selbständig entwickelt hatte, Teile einer anderen bringen und gelegentlich in manchen Städten eine eigene Gesellschaft neben der bestehenden begründen, so dringen Fetisch-Gebilde wie jenes von V. in das Reich des Todes ein; was man auch als eine Art von Infiltration betrachten kann.

Wie würde sie gehandelt haben, hätte sie es gewußt? Wieder eine Frage, die nicht beantwortet werden kann. Letzten Endes hätte es sicher ihren Tod bedeutet: durch diese unvermittelt entstandene Organisation des Reichs des Todes, trotz aller Versuche, ihm auszu-weichen. Die geringste Kleinigkeit - auf jeder Etappe: Kairo, Florenz, Paris - ihrer Beteiligung an der umfassenderen Konspiration, die letztlich zu ihrer eigenen Zerstörung führte: hätte sie etwas gespürt, wäre sie zurückgeschreckt, hätte sich so vielen Selbstkontrollen unterworfen, daß sie - für Freudianer, Verhaltensforscher, Kirchenleute und so weiter - zu einem vollkommen determinierten Organismus geworden wäre, zu einem Automaton, kunstvoll aus menschlichem Fleisch konstruiert. Oder hätte sich statt dessen gegen den oben beschriebenen Prozeß aufgelehnt, gegen das, was wir puritanische Lebensweise nennen, wäre tiefer in das Land des Fetischismus gezogen, bis sie vollkommen und wirklich - nicht nur im Liebesspiel mit Melanie - zu einem unbeseelten Ziel der Sehnsucht geworden wäre. Stencil ließ sich sogar einmal von seiner Akkuratesse in einen Tagtraum treiben, versuchte, sich vorzustellen, wie sie heute, als Sechsundsiebzlgjährige, wohl aussehen würde: mit frischer Haut, hier und da vielleicht ein neues Stück glänzenden Plastikmaterials; zwei Glasaugen, die jetzt jedoch fotoelektrische Zellen enthielten, von denen aus Sehnerven aus reinstem Kupfer über Silberelektroden in ein Gehirn führten, das nicht delikater hätte konstruiert sein können. Solenoidische Relais waren ihre Ganglien, automatische Spannvorrichtungen bewegten ihre makellosen Glieder, eine Herzpumpe aus Platin war das Zentrum eines hydraulischen Systems, das eine Flüssigkeit durch Adern und Venen aus Butyrat trieb. Vielleicht - Stencil dachte manchmal ebenso gemein wie jeder andere der »Bande« - gab es sogar ein kompliziertes System von Energieumwandlern, das in einer herrlichen Polyäthylenvagina eingebaut war; alle Zeiger der dort montierten Wheatstonebrücke mit einem silbernen Draht verbunden, der die Lustspannungen direkt in die entsprechenden Register ihres Elektronenrechners im Schädel leitete. Und wann immer sie lächelte oder in Ekstase ihr Gesicht zu einer Grimasse verzog, würde der krönende Abschluß der Konstruktion sichtbar werden: Eigenvalues kostbare Prothese.   - (v)

Fetischismus Magie
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