ernsicht
Arabische Geographen des Mittelalters erwähnen in ihren Beschreibungen
des Hafens von Alexandria jene hohe Säule, die auf der Insel Pharos stand und
einen stählernen Spiegel trug, in welchem man
über ungeheure Entfernungen hinweg die vor Zypern, Konstantinopel und allen
Küsten der Römer kreuzenden Schiffe zu erkennen vermochte. Durch Konzentration
der Strahlen können gekrümmte Spiegel ein Bild des Alls
auffangen. »Selbst Gott, der weder vom Körper noch von der Seele geschaut werden
kann«, schreibt Porphyrius, »läßt sich in einem Spiegel betrachten.«
Ich wünschte, daß diese Seiten zugleich mit der zentrifugalen Ausstrahlung,
die mein Bild in alle räumlichen Dimensionen hinausprojiziert, auch die umgekehrte
Bewegung vermitteln, in welcher mir aus den Spiegeln die für das Auge nicht
direkt sichtbaren Bilder entgegenkommen. Von Spiegel zu Spiegel - so träumt
mir bisweilen - könnte die Totalität der Dinge, das ganze Universum, die göttliche
Weisheit ihre Strahlen in einem einzigen Spiegel bündeln. Oder vielleicht liegt
das Wissen ums Ganze in meiner Seele begraben, und ein System von Spiegeln,
das mein Bild unendlich vervielfachen und seine Essenz in einem einzigen Bild
zurückwerfen würde, könnte mir schließlich die Seele des Alls offenbaren, die
sich in der meinen verbirgt. - Italo Calvino, Wenn ein Reisender
in einer Winternacht. München 2007 (Zuerst 1979)
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