Feind der Gesellschaft  »Wer, zum Teufel, sind Sie eigentlich?«

»Das kommt darauf an«, sagte Galant. Er war weder erstaunt noch verärgert; er schien nachzudenken. «Monsieur Bencolin würde auf seine poetische Art sagen, ich sei der Herr der Schakale, König der Quallen, Hoherpriester der Dämonen.«

Chaumont sah ihn unsicher an, und der andere lachte.

»Capitaine Chaumont mochte wissen, wer Sie sind«, sagte Bencolin. »Ich werde Ihnen beiden ein bißchen zu diesem Thema erzählen. Um zu beginnen: Einst waren Sie Doktor der Philosophie. Sie sind der einzige Franzose, der je in Oxford einen Stuhl für englische Literatur innehatte.«

»Schön, schön - zugegeben.«

»Doch Sie waren ein Feind der Gesellschaft! Sie haßten die Welt und Ihre Mitmenschen. Außerdem empfanden Sie die Entlohnung als zu gering für einen Mann von wirklich hervorragender Familie.«

»Ebenfalls zugegeben.«

»Zweifellos läßt sich der Lebensweg dieses Mannes durch seine besondere, sehr individuelle Mentalität verfolgen«, sagte Bencolin nachdenklich. »Hier ist ein Mensch von außergewöhnlicher Brillanz; er ist grüblerisch, introvertiert, böse; er beginnt, sich in einer Welt umzusehen, die er für schlecht und deren moralischen Werte er für fraglich hält. Wird ein Mann für besonders ehrenhaft gehalten, dann muß er der niederste Dieb sein. Gilt eine Frau für tugendhaft, ist sie eine Hure. Um diesen Haß - der nur der Haß eines irregeleiteten Idealisten ist - zu nähren, fängt er an, in der Vergangenheit seiner Freunde zu graben, denn er steht mitten in der sogenannten guten Gesellschaft.«

Galants Gesicht schien sich vor Haß zu verhärten; wenn es Farbe bekam, dann schien sich das auf seine Nase zu konzentrieren, und dieses groteske Ding nahm ein geradezu monströses Rot an. Doch blieb er, die Augen offen und starr, reglos sitzen, während er sanft die Katze streichelte.

»So begann er einen Feldzug gegen diese gute Gesellschaft«, fuhr Bencolin fort. »Eine Art Super-Erpressung. Er hatte seine Listen, seine Spione, ein riesiges Karteisystem, wo sämtliche Briefe, Fotos, Hotelrechnungen oder deren Fotokopien sorgfältig geordnet waren, bereit für den passenden Augenblick. Er führte nur gegen die berühmtesten Namen des Landes Krieg; wobei der kleinste Fehltritt aus der Vergangenheit aufgegriffen, vergrößert und aufgeputscht und dann die Zeit abgewartet wird. Ich glaube nicht, daß es in erster Linie des Geldes wegen geschah. Er hat fantastische Summen aus manchen Leuten herausgeholt, aber was ihm am meisten Freude machte, war, einen Ruf zu zerstören, Idole zu zertrümmern und die Macht zu erlangen, um sagen zu können: >Sie haben solche Bedeutung erlangt! Ich kann Sie damit vernichten! Sie glauben, Sie können nach oben kommen? Versuchen Sie's.<«

Chaumont zog einen Stuhl herbei und setzte sich auf dessen Rand, als sei er hypnotisiert. Er starrte Galant an, während Bencolin mit leiser Stimme fortfuhr: »Begreifen Sie, Messieurs?

Dies war die ungeheuerliche Fröhlichkeit eines Mannes, der seine Späße mit dem Teufel teilt. Sehen Sie ihn sich an. Er wird leugnen, was ich sage, aber Sie können die geheime Befriedigung von seinem Gesicht lesen.«

Galant warf seinen Kopf zurück. Nicht Bencolins Anklage hatte einen offnen Nerv berührt, sondern die Tatsache, daß er spürte, wie dieser Ausdruck verborgenen Vergnügens um seinen Mund heraufkroch. »Dies ist noch nicht alles«, fuhr Bencolin nachdenklich fort. »Sobald er seine Opfer bis zum Letzten ausgepreßt hatte, hielt er seine Zusagen keineswegs. Er händigte die Unterlagen, welche bezahlt worden waren, keineswegs aus. Statt dessen veröffentlichte er sie, wie er das von Anfang an vorhatte. Denn seine Absicht war, jemanden völlig zu ruinieren. Eine spatere gerichtliche Verfolgung war nicht möglich. Er hatte sich zu gut gesichert; er hatte nie einem Opfer geschrieben oder gedroht, außer wenn beide allein und ohne Zeugen waren. Doch sein Ruf verbreitete sich. Dies ist der Grund, warum er nicht mehr in den Salons empfangen wird und warum er sich mit einer Leibwache umgibt.«    - John Dickson Carr, Club der Masken. München 1977 (Crime Classics 1740)

 

Feind Gesellschaft

 

  Oberbegriffe
zurück 

.. im Thesaurus ...

weiter im Text 
Unterbegriffe

 

Verwandte Begriffe
Synonyme