Fechten  Der Schwertfechter sprang wie rasend vor dem sitzenden Mann hin und her und ließ einen Hagel blitzschneller Hiebe auf ihn niederprasseln. Aber Meister Kalebasse, mit dem Rücken an den Pfeiler gelehnt, parierte jeden Streich, entspannt und gemächlich mit absoluter Präzision. Ob der Angriff auf seinen Kopf oder seine Füße zielte, das Schwert des alten Mannes war immer in richtigen Augenblick an der richtigen Stelle. Plötzlich senkte er sein Schwert und ergriff das Heft mit beiden Händen. Als sein Angreifer sich auf ihn stürzte, brachte er das Schwert wieder nach oben, den Griff gegen die Bank zwischen seinen Knien haltend.

Der Mann konnte nicht mehr bremsen. Als er vorwärts fiel, grub sich Meister Kalebasses Schwert tief in seinen Magen.

Der Richter drehte sich um. Der bärtige Anführer ging auf ihn los, einen wilden Blick in seinem übriggebliebenen Auge. Er hatte einen Speer ergriffen und setzte damit zu einem mörderischen Stoß direkt auf Richter Dis Kopf an. Der Richter duckte sich und trieb sein Schwert nach oben in des anderen Brust. Als der bärtige Anführer zu Boden sank, beugte sich der Richter über ihn und bellte:

»Wer hat euch geschickt?«

Der riesige Kerl sah mit seinem einen rollenden Auge zum Richter hoch. Seine dicken Lippen zuckten.

»Hau...«, begann er. Ein Blutstrom stürzte aus seinem Mund, sein mächtiger Körper wurde von heftigen Krämpfen geschüttelt, dann lag er still. Richter Di erhob sich. Er fuhr sich über sein schweißbedecktes Gesicht und sagte keuchend zu Meister Kalebasse gewandt:

»Danke vielmals! Ihr glänzender erster Schachzug hat den Anführer außer Gefecht gesetzt und den Tag gerettet!«

Meister Kalebasse schleuderte das Schwert in die Ecke. »Ich hasse Waffen.«

»Aber sie gehen unglaublich geschickt damit um! Sie haben die Stöße Ihres Gegners so exakt erwidert, daß es schien, als wären die Spitzen der beiden Schwerter durch eine unsichtbare Kette miteinander verbunden!«

»Ich sagte Ihnen doch, ich bin nur eine leere Hülle«, gab der alte Mann unwirsch zurück. »Da ich leer bin, strömt die Fülle meines Gegners automatisch in mich über. Ich werde er, so daß ich genau das tue, was er tut. Mit mir zu fechten ist, als ob Sie mit Ihrem eigenen Spiegelbild fechten. Und genau so zwecklos.«  - Robert van Gulik, Halskette und Kalebasse. Zürich 1982

Kampf

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