asten    In meinem achtzehnten Lebensjahr gab mich mein Vater ins Kloster Jovanje und sagte zu mir beim Abschied: ›Während du fastest, nimm kein einziges Wort in deinen Mund, damit wenigstens der Mund rein bleibt von den Worten, wenn es schon die Ohren nicht vermögen. Denn die Worte kommen nicht aus dem Kopf und aus der Seele, sondern aus der Welt, von klebrigen Zungen und aus stinkenden Gehirnen; alle sind schon längst abgenagt, ausgespuckt und fettig vom ständigen Kauen. Längst schon sind sie nicht mehr unversehrt, und unzählige Münder haben sie von Zahn zu Zahn weitergegeben.‹   - (pav)

Fasten (2)  Der Abbé erinnerte daran, daß es zur alten Weisheit der Kirche gehöre, dem Fasten Bedeutung beizumessen, das kläre den Kopf und töte die Fleischeslust. Dem widersprach Doktor Godet, der noch daran war, die Entenknochen vom Fleisch zu säubern. Es gebe Untersuchungen, die bewiesen, daß sich gerade bei Ausgehungerten die Sinneslust steigere, wenn schon der Bauch nichts kriege, soll dafür der Unterleib umso mehr erhalten, als sollten die, die nichts zu essen haben, lauter Esser zeugen. Madame de Montanton, die ihre Lippen tupfte, wußte von einem englischen Diplomaten, daß es in Indien Hungerkünstler gebe, die Monate, ja jahrelang nichts zu sich nähmen außer Wasser, und Baron Hugues meinte dazu: »Wenn Hunger, dann als Kunst.« - Hugo Loetscher, Die Papiere des Immunen. Zürich 1986

Fasten (3)  Am ersten Tag war das Fasten leicht, die Spannung ob der neuen Erfahrung überwand den Hunger. Aber an den folgenden Tagen wurde ich im Laufe des Nachmittags zunehmend müder, konnte mich nicht konzentrieren, war gereizt, lustlos. Es gab Schübe, da war ich außerordentlich klar im Kopf, und Zeiten, da war der Erschlaffung nur mit Schlaf beizukommen.

Am späten Nachmittag trafen wir uns in der Moschee. Im Innenhof waren Matten ausgelegt. Jeder legte das Essen, das er mitgebracht hatte, in die Mitte und setzte sich irgendwohin. Wir saßen nebeneinander in langen Reihen und warteten still auf iflaar, das Brechen des Fastens unmittelbar nach Sonnenuntergang. Vor uns eine Komposition unterschiedlicher Früchte und Nüsse sowie ein Linsenbrei namens kitschri. Die Papaya war prall-orange, die Wassermelone saftigrot - die Farben schienen wie soeben erfunden, und der Geruch, der von der Matte aufstieg, versprach einen betörend frischen Neuanfang am Ende eines langen und heißen Tages. Wir saßen still, die Augen gesenkt, in Gedanken oder in keinen Gedanken versunken.

Der Muezzin rief, und wir griffen nach einer Dattel, einem Glas Wasser. Es ist Pflicht, das Fasten sofort zu brechen, ein überflüssiges Gebot, könnte man meinen, aber in diesem Moment drängte ein Teil von mir, das Essen noch ein wenig hinauszuzögern, die beglückende Erwartung auf den ersten saftigen Bissen zu verlängern, und gewiß gibt es Menschen, die sich in eine schädliche Ekstase des Fastens hineinsteigern. - Ilija Trojanow, Nomade auf vier Kontinenten. Auf den Spuren von Sir Richard Francis Burton. München 2008 (zuerst 2007)

Fasten (4)  Schwester Petronilla unterschied sich darin von andern Menschen, daß sie zundertrocken und steinhart kackte, so daß ihr's für die Losung brünftiger Hirschkühe gehalten hättet, was wohl die allerhärtesten Zementbrocken sind, die jemals ein Gedärm hervorbringt, falls ihr von ungefähr einmal auf einem Waldpfad auf solche kieselharten Dinger gestoßen seid. Werden sie doch ihrer Härte wegen in der Weidmannssprache Knoten geheißen. Dies war denn auch bei der Schwester Petronilla gar nichts Übernatürliches, weil das immerwährende Fasten ihr Blut in dauernder Siedehitze erhielt. Den Aussagen der betagten Schwestern zu glauben, war ihre Natur dermaßen glühendheiß, daß sie, ins Wasser gelegt, darin pffft! machte und zischte gleich einer glühenden Kohle.  - (drast)

Fasten (5)  
 

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